Berlin. . Schon sieben Jahre nach seiner Eröffnung häufen sich die Probleme am Berliner Hauptbahnhof: ein tonnenschwerer Stahlbalken löste sich aus der Fassade, Schrauben flogen aus den Gleisen - jetzt muss auch noch das Glasdach repariert werden. Die Ursachen sind unklar. Kritiker vermuten “Pfusch am Bau“.

Ein Bahnhof wie ein Montagswagen: Neu, schön und teuer - doch ständig geht was kaputt. Erst fiel ein tonnenschwerer Stahlbalken aus der Glasfassade. Dann flogen die Schrauben aus den Gleisen. Jetzt gibt es Probleme mit den Trägersäulen des Glasdachs. Sieben Jahre nach der Eröffnung ist der Berliner Hauptbahnhof ein Sanierungsfall.

„Kein Zugverkehr.“ An Gleis 11 ging in dieser Woche gar nichts. An einer der tragenden Säulen des Glasdachs haben sich die Stahllager verzogen. Niemand weiß genau, warum. „Der Bahnhof wird belastet, der lebt“, sagt eine Sprecherin. Rund 300 000 Menschen kommen jeden Tag unter das gigantische Glasdach. Sicherheitsbedenken gibt es laut Bahn im Moment nicht. Die Experten prüfen, die Reparaturarbeiten laufen.

Schutzbleche sichern die Balken

„Nach so kurzer Zeit kann das kein Verschleiß sein. Das ist Pfusch am Bau“, glaubt Karl-Heinz Kossack vom Fahrgastverband Pro Bahn. „Sie standen damals ja mächtig unter Zeitdruck.“ Der neue Hauptbahnhof sollte zur Fußball-WM 2006 fertig sein, koste es was es wolle. Der damalige Bahn-Chef Hartmut Mehdorn wollte liefern. Die sichtbare Folge: Das Dach wurde deutlich kürzer als von den Architekten geplant.

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Doch das hohe Bautempo rächte sich auch anderer Stelle: Acht Monate nach der Eröffnung reißt der Orkan Kyrill einen zwei Tonnen schweren Stahlträger aus der Glasfassade. Der Balken stürzt auf die Freitreppe zum Bahnhofsvorplatz. Wie durch ein Wunder wird niemand verletzt. Die Stahlträger waren aus statischen Gründen weder verschweißt noch verschraubt. Heute sichern Schutzbleche die Balken.

Schrauben lockern sich, Probleme an den Trennfugen

Kurze Zeit später fällt auf, dass sich die Schrauben an den Gleisen lockern, es gibt Probleme an den Trennfugen der Gleisbrücken. Unter der Last der Züge lösen sich die Schrauben oder werden sogar abgesprengt. Enge Kurven, hohe Fliehkräfte. Die Reparaturversuche scheiterten. „Konstruktive Schwachstelle“, nennen sie das bei der Bahn. Die Züge fahren deswegen seit langem nur noch mit 40 statt mit 60 Stundenkilometern in den Bahnhof. Es kommt zu Staus und Verspätungen.

Die Bahn entwickelt jetzt eine neue Sonderkonstruktion – die alte habe sich eben „nicht bewährt“, sagt ein Sprecher. Sieht ganz so aus, als sei der Berliner Hauptbahnhof sieben Jahre nach seiner Eröffnung mehr technisches Labor als ausgereifte Baukunst. Verkehrsminister Peter Ramsauer findet das Berliner Beispiel alarmierend: „Man baut keine erprobten, belastbaren Techniken mehr ein, sondern es muss immer was revolutionär Neues sein.“

Neue Fahrbahntechnik kostet 25 Millionen Euro

25 Millionen Euro soll die neue Fahrbahntechnik kosten – der gesamte Bahnhof hat rund 1,2 Milliarden Euro gekostet. Doch nicht nur die Kosten sind gewaltig: 2015 wird der Reiseverkehr über die Ost-West-Achse ein Vierteljahr für die Arbeiten an den Gleisen unterbrochen. Wer aus dem Ruhrgebiet nach Berlin kommt, landet dann im Keller – der gesamte Fernverkehr wird übers Tiefgeschoss geleitet. Oben fährt nur noch die S-Bahn – bis die dann ebenfalls für zwei Reparaturmonate ausfällt.

Fünf Monate Zugausfall? Kolumnist Harald Martenstein stehen schon die Haare zu Berge: „Berlin ist das Mainz der Zukunft.“ So sehen das viele: In Mainz sparen sie an den Fahrdienstleitern, in Berlin haben sie die Schrauben locker. Und ausgerechnet dieser Mehdorn soll jetzt auch noch den neuen Großflughafen BER fertig bauen. Mal wieder unter Hochdruck.

Sie will sich nicht aufregen

Am leeren Gleis 11 steht Eva-Maria Fritzsche und guckt auf die Anzeigentafeln. „Kein Zugverkehr.“ Sie zuckt die Achseln, sie will sich nicht aufregen. Noch nicht. Ihre Regionalbahn fährt am Nachbargleis ab. Drei andere sind ganz gestrichen. Ist ja bloß ein kleiner Vorgeschmack auf 2015.