St. Johns. . Zwei Jahre lang ankerte die „Lyubov Orlova“ im kanadischen Hafen in St. John’s. Von Rost zerfressen und von Ratten beheimatet, sollte es Ende Januar in die Karibik geschleppt werden - zur Verschrottung. Doch das Geisterschiff riss sich los, und wurde seitdem nicht mehr gesehen.

Ein geschäftiger Sommertag im Hafen von St. John’s, Kanada: Krabbenfischer leinen ihre Kutter an. Ein Matrose schrubbt das Deck eines Kreuzers. Nur das Dock ganz am Ende des „Harbour Drive“ ist noch immer verwaist. Hier ankerte zwei Jahre lang die „Lyubov Orlova“, ein mit Ratten verseuchtes Kreuzfahrtschiff. Vom Rost zerfressen und von seiner russischen Crew verlassen, sollte es Ende Januar zur Verschrottung in die Karibik geschleppt werden. Doch die „Lyubov Orlova“ riss sich im Sturm los – und sorgt seitdem in Europa für Aufregung.

Schon bald werde das Geisterschiff von Wind und Strömung getrieben vor der Küste Irlands auftauchen, prognostizierten Ozeanologen. In Europa zerbrach man sich schon den Kopf, wie man mit dem schwimmenden Schrott samt Ratten umgehen soll.

Gut sechs Monate ist das mittlerweile her. Doch die „Lyubov Orlova“ kam nie in Europa an, und Experten rätseln über ihren Verbleib. Der ausrangierte Luxusliner, der einst wohlhabende Passagiere durch das arktische und antaktische Eismeer navigierte, scheint spurlos verschwunden. Womöglich ist er samt Ratten an Bord gesunken und ruht längst auf dem Boden des Nordatlantiks.

Seit Anfang Februar weiß niemand mehr, wo das Schiff sich befindet

Seit Anfang Februar habe man keine verlässlichen Informationen über die Position des dunkelblauen Luxusliners mehr, betont Steve Bone, Sprecher der kanadischen Küstenwache. Damals befand sich das Geisterschiff 700 Kilometer nordöstlich von St. John’s und trieb mit 30 bis 50 Kilometern pro Tag auf Europa zu. Kurz danach fiel der Peilsender an Bord aus.

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Danach machte sich die „Lyubov Orlova“ nur noch einmal kurz bemerkbar. Ende Februar fing die irische Küstenwache das Signal einer Notrufbake des Geisterschiffes auf, dass sich demnach etwa 1300 Kilometer vor der irischen Küste befand. Die Baken werden normalerweise durch Wasserkontakt ausgelöst. Sollte sich die Bake noch an Bord befunden haben, könnte dies darauf hindeuten, dass die „Lyubov Orlova“ gesunken ist. Möglich ist aber auch, dass sich der Sender auf einem Rettungsboot befand, dass sich im Sturm vom Schiff losgerissen hatte.

Rätselhaft sind auch Berichte des amerikanischen Seedienstes NGA. Dieser will das Geisterschiff Mitte März an einem ganz anderen Ort lokalisiert haben – 2400 Kilometer vor der irischen Küste. Andere Medien berichteten zum selben Zeitpunkt unter Berufung auf Satelitendaten, dass das Schiff seinen Kurs geändert habe und zurück in Richtung Nordamerika treibe. Dann verloren sich die Spuren.

Die Kanadier sind froh, den Schrott und die Ratten los zu sein

Der in Kanada lebende Eigentümer, der gehofft hatte, noch 700 000 bis 800 000 Dollar für das schrottreife Schiff zu bekommen, hat die Suche vorerst aufgegeben. Wo auch immer die „Lyubov Orlova“ steckt: In St. John’s hofft man inständig, dass das Geisterschiff nicht wieder vor der neufundländischen Küste auftaucht. „Wir sind froh, dass wir sie los sind“, heißt es bei der Hafenbehörde. Immerhin hatte das Pleiteschiff die Kanadier zehntausende Dollar gekostet. Vom Ärger mit den Ratten ganz zu schweigen. Nun hofft man, dass am Ende des „Harbour Drive“ wieder die Normalität einkehrt.