Wiesbaden/Würzburg. Fünf Jahre verbreitete ein unbekannter Schütze Angst auf deutschen Autobahnen. Hundertfach feuerte er auf fahrende Lastwagen. Nun haben die Ermittler den mutmaßlichen Täter gefasst: Er ist selbst Lkw-Fahrer, arbeitete seit zehn Jahren bei einer Spedition in der Eifel. “Der war ein vernünftiger Kollege“, sagt sein Chef.

Die beispiellose Serie von mehr als 700 Anschlägen auf Lastwagen auf deutschen Autobahnen ist vermutlich aufgeklärt. Ein 57 Jahre alter Lastwagen-Fahrer aus Nordrhein-Westfalen soll seit 2008 vor allem auf Autotransporter geschossen haben. Der Mann wurde am Sonntag festgenommen und sitzt nun in Untersuchungshaft, wie das Bundeskriminalamt (BKA) am Montag in Wiesbaden mitteilte. Den genauen Tatvorwurf nannte die Behörde zunächst nicht. 2009 war eine Autofahrerin auf der A3 bei Würzburg am Hals getroffen und schwer verletzt worden.

Der am Montag nach Würzburg überstellte Verdächtige ist nach Angaben der Ermittler als Berufskraftfahrer bei einer Spedition angestellt. Er werde weiter vernommen, bestätigte der Würzburger Oberstaatsanwalt Dietrich Geuder. Nach Medienberichten stammt der Mann aus der Eifel-Gemeinde Kall. Bei seiner Festnahme dort seien Waffen gefunden worden, teilte das BKA mit.

Speditionsbranche reagiert erleichtert auf Festnahme

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sprach von einem wichtigen Fahndungserfolg. Es sei gelungen, "einen hochgefährlichen Täter dingfest zu machen". Die Speditionsbranche reagierte erleichtert. "Es ist auch ein Gefühl der Hilflosigkeit gewesen über all die Jahre", sagte der Sprecher des Deutschen Speditions- und Logistikverbandes (DSLV), Ingo Hodea. "Wir hoffen, dass es jetzt vorbei ist."

Die Schüsse hatten die Ermittler seit 2008 vor ein Rätsel gestellt. Da die Einschusslöcher meist erst nach Ankunft der Lastwagen bemerkt wurden, waren genaue Tatorte kaum zu ermitteln. Auf die Spur soll die Fahnder letztlich der Einsatz von verdeckten Lesegeräten für Kennzeichen an Autobahnen gebracht haben, wie der Südwestrundfunk berichtete. Nach einem neuen Anschlag seien jeweils die Daten entlang der Route abgeglichen worden. Auch Verbindungsdaten von Mobilfunkmasten entlang der Autobahn seien ausgewertet worden. Das Bundeskriminalamt will erst am Dienstag weitere Details nennen.

Der Speditionschef des mutmaßlichen Schützen jedenfalls beschrieb den 57-Jährigen als absolut zuverlässig, verlässlich und unauffällig. "Bei uns sagt man im Speditionsjargon: Das war einer der Guten", sagte der Geschäftsführer der mittelständischen Spedition in Monschau, Bernd Kreutz, im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa am Montag. Der Mann habe seit über zehn Jahren in dem Betrieb gearbeitet.

Was der Chef des mutmaßlichen Autobahn-Schützen erzählt 

Immer wieder stellt sich der Unternehmer die Frage, warum der Fahrer das getan haben könnte: "Ich weiß es nicht. Der hat sich korrekt verhalten im Job, der war ein vernünftiger Kollege." Er sei keiner, der das Wort führe. Nach Weihnachtsfeiern habe er sich persönlich verabschiedet und für die Einladung bedankt.

Der Mann komme auf einem absolut "vernünftigen und sozialen Gefüge. Es ist alles so, wie es sein sollte - augenscheinlich", sagte Kreutz. Er habe nicht gewusst, dass der Tatverdächtige etwas mit Waffen zu tun hatte, er sei auch nicht im Schützenverein gewesen.

Der Mann sei auf Strecken in Benelux, Deutschland und Frankreich unterwegs gewesen - einer mit Routine, den man einsetzen konnte. Am vergangenen Wochenende habe er ausnahmsweise seinen Lkw mit nach Hause genommen, um direkt von dort aus auf Tour zu gehen: "Das war außergewöhnlich. Normalerweise stehen die Fahrzeuge alle auf dem Hof." Doch bevor er auf Tour gehen konnte, griff die Polizei zu.

Sorge vor Anfeindungen

Der Mann lebte in dem Eifelort Kall, etwa 30 Kilometer von der Spedition entfernt. Von den rund 300 Beschäftigen sind rund 190 Fahrer. Kreutz hatte am Sonntag vom Zugriff der Polizei erfahren. Er informierte zuerst die Kollegen, dann die Kunden.

Er macht sich Sorgen, dass die Beschäftigten angefeindet werden, sagt er: "Da ist ein Übeltäter - einer der übelsten Täter - der kommt aus unserem Betrieb, das muss man erst einmal verdauen. Auch als Kollege."

Höhe der Einschusslöcher ließ Lkw-Fahrer als Täter vermuten

Schon früh hatten die Ermittler auf einen Lkw-Fahrer als möglichen Täter getippt, weil die Höhe der Einschusslöcher auf einen Schützen im Führerhaus eines Lastwagens schließen ließ. Noch im vergangenen November hatte BKA-Präsident Jörg Ziercke aber eingeräumt, darüber hinaus gebe es keine konkreten Hinweise auf den Täter. Seit Herbst 2012 ermittelten 90 Beamte in der "Besonderen Aufbauorganisation Transporter". Neben dem BKA waren Polizisten aus Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz beteiligt. Zudem war eine Belohnung von 100.000 Euro ausgesetzt.

Besonders betroffen waren von den Anschlägen mit Waffen verschiedener Kaliber nach früheren BKA-Angaben die A3 von Köln bis Nürnberg, die A4 zwischen Aachen und Köln, die A5 zwischen Karlsruhe und Kirchheim, die A6 von Walldorf bis Nürnberg und die A61 von Walldorf bis Kerpen. (dpa)