Mexiko-Stadt. Auslöser der Wut war eine Fahrpreiserhöhung von umgerechnet sieben Cent. Hunderttausende Brasilianer haben in den vergangenen Tagen ihrem Zorn Luft gemacht. Der Protest richtet sich gegen die Millionen-Ausgaben für die Fußball-WM - und wuchernde Korruption.
Alles begann mit 20 Centavos und der Wut über die Fahrpreiserhöhung. Der Gegenwert von sieben Cent und dessen Folgen halten Brasilien seit zehn Tagen im Griff. Ähnlich wie in der Türkei gehen im größten Land Lateinamerikas vor allem junge Menschen auf die Straßen und fordern eine gerechtere Gesellschaft und das Ende der Exzesse der Mächtigen.
In der Nacht zum Dienstag kam es mit mehr als 200.000 Menschen in einem Dutzend Städte des Landes zu den größten Protestmärschen seit den achtziger Jahren. Die Kundgebungen überschatten derzeit den Fußball-Confed-Cup, die Generalprobe für die Fußball-WM 2014. Während der ersten Spiele am Wochenende waren die Proteste vor den Stadien eskaliert. Die Polizei setzte Tränengas und Gummigeschosse ein. Es gab zahlreiche Festnahmen und Dutzende Verletzte.
Was als Zorn über eine Fahrpreiserhöhung von 20 Centavos im Nahverkehr von São Paulo begann, hat sich mittlerweile zu einer generalisierten Protestwelle entwickelt und zeigt, dass der rasante Aufstieg Brasiliens nicht alle Menschen des Landes mitgenommen hat. In São Paulo wurden die Preise für Bustickets etwa von 3,00 Reais auf 3,20 Reais (rund 1,10 Euro) angehoben, in Rio de Janeiro von 2,75 auf 2,95 Reais. Und das in einem Land, in dem der gesetzliche Mindestlohn bei 237 Euro liegt. Dutzende Millionen der knapp 197 Millionen Brasilianer leben trotz des Aufschwungs vom Minimum. In den vergangenen Jahren entstand zwar so etwas wie eine neue Mittelklasse. 32 Millionen Brasilianern gelang der Aufstieg in die Mittelschicht. 13 Millionen neue Jobs hat die Wirtschaft geschaffen.
Brasiliens beeindruckende Entwicklung
Brasilien hat eine beeindruckende Entwicklung hingelegt und sich zur sechstgrößten Volkswirtschaft entwickelt. Zudem wurden bedeutende soziale Errungenschaften erreicht.
In Rio de Janeiro, in Porto Alegre, Belo Horizonte und selbst in der Hauptstadt Brasilia haben in den vergangenen Tagen immer wieder Zehntausende Menschen bessere Bildung und mehr Zugang für Arme zu Universitäten gefordert. Sie geißeln auch die galoppierende Korruption der Regierenden, die zunehmende Kriminalität und Gewalt in den Metropolen sowie die Wohnungsknappheit. Und sie kritisieren natürlich auch, dass das aufstrebende Schwellenland Brasilien Millionen in die Ausrichtung großer Sport-Events wie den Confed-Cup, die Fußball-WM kommendes Jahr und die Olympischen Spiele 2016 steckt, solange es noch Armut, Arbeitslosigkeit und eine große soziale Schere in dem Land gibt.
Der Saldo der ersten zehn Protest-Tage ist hoch: Mehr als Hundert Verletzte, knapp 300 Festgenommene und ein mitunter überzogener Polizeieinsatz auf Seiten der Staatsmacht. Auf der anderen Seite stehen Plünderungen und Zerstörungen an Banken, U-Bahnstationen, Autobussen und ein Angriff auf das Regionalparlament in Rio de Janeiro an diesem Montag.
Demonstranten werfen Steine und reißen Absperrungen nieder
Die linksliberale Präsidentin Dilma Rousseff zeigte Verständnis für die Demonstranten und sagte, es sei die Form der Jugend zu protestieren. Ex-Präsident Lula da Silva ging noch einen Schritt weiter: „Nur ein Unvernünftiger kann gegen diese Proteste sein.“
Am Montagabend gingen im ganzen Land bis zu 200.000 Menschen in verschiedenen Städten auf die Straße. Allein in São Paulo, der größten Stadt des Landes, waren bis zu 60.000 Demonstranten unterwegs. Auch aus der Hauptstadt Brasília sowie Curitiba, Belo Horizonte und Salvador wurden Protestaktionen gemeldet.
In Rio de Janeiro griffen Demonstranten das Regionalparlament an, warfen Steine auf das Gebäude, rissen Absperrungen um und zündeten Feuer an.