Brasilia. . Während die Fifa auf einen stimmungsvollen Confed-Cup hofft, gehen die Menschen gegen die Probleme im Land auf die Straße. Bayern-Profi Dante äußerte Verständnis für die Proteste der Demonstranten, die sich überwiegend aus ärmeren Bevölkerungsschichten und Studenten zusammensetzen sollen.
Es sollten ausnahmslos schöne Bilder sein, die von Brasilien aus in die Welt gehen. Ein Jahr vor der Fußball-WM wollten sich die Südamerikaner beim Testlauf Confederations-Cup als gute und fähige Gastgeber zeigen. Doch das 3:0 (1:0) der Selecao gegen Japan zum Turnierauftakt am Samstag in der Hauptstadt Brasília hat nur für einen sportlich geglückten Turnierstart gesorgt.
Denn was sich derzeit in Brasilien landesweit an angestauter Wut über steigende Lebenshaltungskosten und korrupte Eliten auf den Straßen und vor den Stadiontoren entlädt, muss die Organisatoren beunruhigen. Alle Welt sieht beim kleinen Testlauf für das Großereignis WM 2014 zu – und sieht eben auch, dass das erste Gruppenspiel der Seleção von massiven Ausschreitungen mit mehreren Dutzend Verletzten und zahlreichen Festnahmen begleitet worden war.
Tränengas und Gummigeschosse
Noch eine Stunde vor dem Anpfiff war die Polizei mit Tränengas, Pfefferspray und Gummigeschossen gegen die Demonstranten vorgegangen, die versucht hatten, ins Nationalstadion Mané Garrincha zu gelangen. Auch Unbeteiligte waren von den Tumulten betroffen, bei denen sich Szenen abspielten, die man allenfalls gern in einem Kinofilm vorgeführt bekommt. Zu beobachten waren tief fliegende Helikopter, aus deren offenen Seitentüren schwer bewaffnete Polizisten ihre Gewehre auf mehrere hundert flüchtende Demonstranten richteten. Deren Meinung nach wäre es weitaus sinnvoller gewesen, Steuergelder in das marode Gesundheits- und Bildungswesen zu investieren, statt die für den Weltverband Fifa gigantische Einnahmequelle WM 2014 durch sündhaft teure Fußballstadien zu subventionieren und auch noch Olympia 2016 nach Rio de Janeiro zu holen.
Der nicht eingesetzte Bayern-Profi Dante äußerte durchaus Verständnis für die teils massiven Proteste der Demonstranten, die sich überwiegend aus ärmeren Bevölkerungsschichten und Studenten zusammensetzen sollen. „Es gibt große Unterschiede bei den Leuten. Ich habe meine ganze Familie hier, die auch nur wenig pro Monat hat. Ich kann das gut verstehen“, sagte der 29-Jährige. „Das ist nicht so einfach. Unser Land ist ein großes Land, in dem es große Unterschiede gibt. Einige sind ganz reich, andere bekommen gar nichts. Und jetzt bekommen wir einen sehr großen Wettbewerb, einen sehr großen Moment für alle, bei dem die ganze Welt auf uns schaut. Und das ist die Chance für die Leute zu zeigen, was sie denken“, sagte er.
Zudem kam es im Nationalstadion zu Tumulten an den Imbissbuden. Die Zeitung O Globo berichtete gar von „Chaos“. Weil der Nachschub stockte, gingen den teilweise nur unzureichend ausgebildeten Helfern zwischenzeitlich Getränke und Essen aus. Die Polizei musste aufgebrachte Fans beruhigen. Auch die Preise von umgerechnet 2,10 Euro für ein Wasser oder 4,20 Euro für ein Bier erzürnten manche. „Das ist ein Problem, das wir angehen müssen“, sagte Sportminister Aldo Rebelo: „Da muss die Regierung etwas tun, wir dürfen der Gefahr der Gentrifizierung des Fußballs nicht gleichgültig gegenüberstehen.“
Unübliche Buhrufe gegen Staatspräsidentin Rousseff
Dass den Unmut offenbar breite Bevölkerungsschichten nachvollziehen können, ließ sich auch aus den in dieser Ausprägung bisher nicht üblichen Buhrufen gegen Staatspräsidentin Dilma Rousseff im Stadion ableiten, die den Confed-Cup eröffnet hatte.
Kenner des Landes meinen, dass sich die Proteste, die sich an Fahrpreiserhöhungen im Nahverkehr entzündet hatten, noch ausweiten könnten. Für die kommenden Tage wurden jedenfalls weitere und größere Aktionen angekündigt.
Und was sagt der Fußball-Weltverband? Die Fifa ist wieder mal mit sich im Reinen: „Wir respektieren das Recht der Menschen auf Meinungsfreiheit und haben vollstes Vertrauen in die Behörden. Und die Proteste stehen nicht in direktem Zusammenhang mit dem Event“, erklärte Fifa-Sprecher Pekka Odriozola. Und der einschlägig beleumundete Fifa-Präsident Sepp Blatter hatte auf die anhaltenden Buh-Ruhe gegen Staatspräsidentin Dilma Rousseff und ihn selbst bei der Eröffnung schon gewohnt lässig reagiert. Er unterbrach seineAnsprache – und fragte die 70 000 Fans im Stadion: „Liebe Freunde des Fußball: Wo ist der Respekt und das Fairplay, bitte?“