Leipzig. . Im deutschen TV wird Krankenhaus immer noch wie die “Schwarzwaldklinik“ inszeniert – in der ARD-Serie “In aller Freundschaft“.

Der Deutsche geht im Schnitt 18 Mal pro Jahr zum Arzt. Im Fernsehen guckt er am liebsten Arzt- oder Krankenhausserien. Was die Volksgesundheit angeht, macht uns also keiner so leicht was vor. Für den Herrn Doktor ist das übrigens nicht immer von Vorteil. Der Patient hat sich im Internet natürlich schon eine Meinung gebildet und weiß alles besser. Und warum das Hospital-Drama „In aller Freundschaft“, angesiedelt in Leipzig, am Dienstag im Ersten (21 Uhr) seine Krankenakten bereits zum 600. Mal auslüften darf, ruft auch irgendwie nach einer Zweitmeinung.

Die Konkurrenz ist nämlich nicht ohne. Aus Amerika greifen „Emergency Room“ oder „Grey’s Anatomy“ an, und hierzulande versuchen alle ARD-Sender unverdrossen, noch einmal an den unglaublichen Erfolg der „Schwarzwaldklinik“ anzuknüpfen. Richtig gut da steht aber nur einer, ausgerechnet der MDR, dessen Hitquote ansonsten eher bescheiden ausfällt. Entsprechend üppig fällt denn auch dort der Jubel anlässlich der Jubiläumsfolge aus.

Der Staatsminister sieht den Serien-Schmus als Tourismus-Werbung

Die „große Bedeutung für den Tourismus“ lobte der sächsische Staatsminister Dr. Johannes Beermann unlängst bei einem extra angesetzten Festakt, und MDR-Intendantin Karola Wille verkündete stolz die Verlängerung um mindestens zwei weitere Staffeln bis ins Jahr 2016.

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„In aller Freundschaft“ wird uns also auch weiterhin jeden Dienstag begleiten, man fragt sich nur warum. Das Personal ist Durchschnitt, die Fälle von der Stange. Im Jubiläumsfilm unternehmen die Heilmanns, (Chefarzt der Chirurgie, Physiotherapeutin, beide Urgestein der Serie), eine Höhlenwanderung. Dort treffen sie auf ein anderes Paar, Valerie Hoppe und Uwe Fink.

Uwe verläuft sich, gerät als Diabetiker in Gefahr und löst etwas aus, was der MDR eine „dramatische Rettungsaktion“ nennt und seine noch dramatischere Vorschau folgerichtig mit dem bangen Satz schließen lässt: Kann Uwe noch rechtzeitig gefunden werden? Da gehen wir jetzt einfach mal von aus, denn jede andere Wendung würde das einfache Erfolgsrezept empfindlich versalzen.

Krankenhausserien sind wie Horrorfilme: Man gruselt sich ein bisschen

Krankenhausserien sind wie Horrorfilme: Man gruselt sich ein bisschen, aber nicht zu sehr, weil man weiß, dass das Böse unterliegt, und die Guten, wahlweise Chefarzt oder Vampirjäger, am Ende milde lächelnd mit dem Personal scherzen. Das gefällt vielen, aber nicht allen.

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Mag „In aller Freundschaft“ nun schon seit 15 Jahren jede Woche sechs Millionen Weißkittel-Fans vor den Schirm hocken, das sind satte 20 Prozent des Abendpublikums - Sonia Mikich beispielsweise zählt nicht dazu. Die erfahrene ARD-Frau, einst als Kriegsreporterin unterwegs, danach unter anderem für die Moderation des Politmagazins „Monitor“ zuständig und inzwischen Leiterin des Programmbereichs Inland beim WDR, hat sich Anfang dieser Woche als Arztserien-Hasserin geoutet.

Mikich geißelt die Märchen einer heilen Klinik-Welt

Vor zwei Jahren lag Sonia Mikich selbst mit einer schweren Erkrankung in der Klinik und hatte genug Zeit, Krankenhausserien im Fernsehen zu gucken. Sie war entsetzt, fasste ihre eigenen (miserablen) Erfahrungen in einem Buch zusammen und übermittelte die zentrale These jetzt dem „Spiegel“ in einem aktuellen Interview. „Diese Arztserien stabilisieren ein Bild der Klinik als sterile Welt, in der alles gut läuft, wo ein Arzt ein Heilsbringer ist und man sich vertrauensselig ausliefern kann.“

Das hält Sonia Mikich für falsch, und deshalb spart sie auch nicht mit Kritik am eigenen Arbeitgeber: „Ich verüble meiner ARD tatsächlich sehr, dass sie diesen süß parfümierten Hirnschiss mitmacht.“ Immer gut, wenn man sich eine zweite Meinung einholt.