Moskau. In einer psychiatrischen Anstalt bei Moskau sind in der Nacht zu Freitag 38 Patienten bei lebendigem Leibe verbrannt. Die Feuerwehr brauchte eine Stunde, bis sie den Einsatzort erreichte. Nur eine Krankenschwester und zwei Patienten konnten sich retten.

Aus der Asche ragten Bettgestelle und Heizkörper. Verkohlte Leichen wurden in großen Plastiksäcken weggetragen. Insgesamt sind bei dem Brand in einer psychiatrischen Klinik im Dorf Rjamenski 38 Menschen umgekommen. Wie die Nachrichtenagentur RIA Nowosti unter Berufung auf das russische Katastrophenschutzministerium berichtete, verbrannten alle Opfer in ihren Betten. Nun diskutiert die Öffentlichkeit, ob die Anstaltsleitung, die Feuerwehr oder die örtlichen Behörden für die hohe Opferzahl verantwortlich sind.

Fahrlässigkeit oder Brandstiftung

Das Feuer brach gestern kurz vor 2 Uhr Ortszeit in einem einstöckigen Backsteingebäude mit hölzernem Anbau aus. Wie einer der Überlebenden dem TV-Kanal Rossija 24 sagte, soll ein neu eingelieferter Rauschgiftpatient das Sofa im Fernsehraum beim Rauchen entzündet haben. Auch die Ermittlungsbehörden bestätigen, das Sofa sei der Brandherd gewesen. Außer Fahrlässigkeit schließen sie aber auch einen möglichen Kurzschluss oder Brandstiftung als Ursache nicht aus.

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Die diensthabende Krankenschwester, die die Flammen entdeckte, versuchte vergeblich, sie mit einem Feuerlöscher zu ersticken, der Brand erfasste bald den Flur. Die Schwester konnte nur noch sich und einen Patienten in Sicherheit bringen, ein anderer rettete sich selbst.

Nach Polizeiangaben gab es in dem Gebäude keine Türen. Aber die Nachrichtenagentur Interfax zitiert einen Moskauer Mediziner, der vermutet, viele der Opfer hätten unter starken Beruhigungsmitteln gestanden und seien deshalb im Schlaf verbrannt. Und nach Aussagen eines Ermittlers hätten auf der Abteilung mehrere stark schizophrene Patienten gelegen, die an ihre Betten gefesselt gewesen seien. Allerdings versicherte die überlebende Krankenschwester der Zeitung Moskowski Komsomoljez, in dieser Nacht habe man keinen der Kranken festgebunden.

Desaströser Zustand der psychatrischen Kliniken in Russland

„Das Organisationsniveau in solchen Kliniken entspricht dem Mittelalter“, sagte der Duma-Abgeordnete Sergei Kalaschnikow Radio Kommersant FM. „Die Gebäude sozialer Einrichtungen und psychoneurologischer Kliniken sind in einem haarsträubenden Zustand, die örtlichen Behörden vernachlässigen sie völlig.“ Ein Sprecher des Katastrophenschutzministeriums versicherte, die Klinik habe erst vergangenes Jahr eine Brandschutzinspektion durchlaufen, alle beanstandeten Mängel seien behoben worden.

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Viele Russen glauben dem nicht. „Die Brandschutzinspektoren in unserem Land beschäftigen sich vor allem damit, Schmiergeld aus Kleinunternehmern herauszupressen“, sagt der Moskauer Ladeninhaber Dimitri Klementjew unserer Zeitung. „Psychiatrien sind denen zu arm, um sie groß zu kontrollieren.“ Eine Sprenkleranlage gab es in dem Gebäude nicht.

Aber auch der russische Katastrophenschutz ist in die Kritik geraten. Statt der gesetzlichen Höchstzeit von 20 Minuten benötigte der erste seiner Löschzuge über 1 Stunde bis zur Brandstelle. Grund: Die nächste Feuerwache ist über 45 Kilometer entfernt, die Straßen sind zum Teil nicht asphaltiert. Weitere Löschzuge brauchten noch eine Stunde länger, weil sie den Moskwa-Kanal überqueren mussten, die dort verkehrende Fähre aber wegen angeblichen Eisgangs nicht einsatzbereit war. „Dass die Rettungsdienste nicht funktioniert haben, das vor allem die Feuerwehr zu weit entfernt war, das ist ein schreckliches Verbrechen“, schimpfte Vizepremier Golodjez.

Feuerwache in der Nähe wird erst im Sommer fertig sein

Ein Beamter des Katastrophenschutzministeriums versicherte dem Moskowski Komsomoljez, man errichte gerade eine neue Feuerwache, nur 10 Kilometer von dem abgebrannten Klinikgebäude entfernt. Aber diese werde erst diesen Sommer fertig sein.