Essen. . Der Comedian Vince Ebert versöhnt Humor und Physik. Der Frankfurter Entertainer ist skeptisch, wenn jemand absolute Wahrheiten verkaufen will. Ein Gespräch über Physik und Gesellschaft, Gott und Breschnew. Und gesunde Skepsis.
Der Comedian Vince Ebert startet am kommenden Montag, 19.30 Uhr, im Essener Haus der Technik die Vortragsreihe „WAZ.Wissen“. Mit dem Entertainer sprach Jürgen Overkott.
Sie gelten als Tausendsassa. Sind Sie im Augenblick im Stress?
Vince Ebert: Ja, sehr. Ich muss ein paar Sachen parallel machen. Ich bin auf Tour, dann bin ich in der absoluten Endphase meines neuen Buches, außerdem fange mit meinem neuen Programm an. Es ist also einiges zu tun, aber ich stehe nicht kurz vor dem Burn-out.
Müssen Sie im Augenblick mit der dunklen Seite des Erfolges leben?
Ebert: Nein, so schlimm ist es noch nicht. Vor meinem Haus campieren noch keine kreischenden Teenies.
Das kann noch kommen. Immerhin haben Sie aus dem öffentlichen Nachdenken ein tolles Geschäftsmodell gemacht.
Ebert: Ich habe vor ein paar Jahren mit meinem Buch „Denken Sie selbst – sonst tun es andere für Sie“ einen Überraschungserfolg gelandet. Es hat sich über 400 000 Mal verkauft. Und da habe ich gemerkt, dass das Thema Denken und vor allem Denkfehler, die teilweise sehr grotesk sind, die Menschen interessiert. Es hat ein großes Humor-Potenzial, wenn man den Leuten aufzeigt, wie man sehr, sehr häufig in Denkfallen tappt – aber eben nicht mit erhobenem Zeigefinger, sondern eher charmant-witzig. Das hat für die Zuschauer einen Erkenntnis-Gewinn, und außerdem können sie auch noch drüber lachen.
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Mit der Methode können Sie vermutlich sogar mehr Wahrheiten unters Volk streuen, als wenn Sie’s bitter-böse machen.
Ebert: Auf jeden Fall. (Stutzt) Wobei: Mit der Wahrheit hat’s der Physiker ja nicht so…
Physiker sehen die Dinge eher relativ.
Ebert: Physiker sind immer nur auf dem aktuellen Stand des Irrtums, und wenn morgen ein kleiner Physik-Student kommt und ein Experiment macht, das die Relativitätstheorie in Frage stellt, dann ist diese Theorie natürlich nicht falsch, sondern ist nur verbessert und korrigiert worden. Absolute Wahrheit überlasse ich den Theologen.
Gegen diese Herrschaften kommen Sie nicht an. Nicht mal der Kreml hat das geschafft.
Ebert: Wobei manche Leute sagen: Der Kommunismus war eine Art religiöse Institution.
Es gab ziemlich viel Fegefeuer.
Ebert: Und Breschnew. Na ja, man sagt, Gott ist ein alter Mann, und das war Breschnew ja auch.
Gehen wir zurück zu irdischen Dingen: Worauf reagiert Ihr Publikum besonders stark?
Ebert: …wenn ich auf der Bühne Experimente mache. In einem früheren Programm hatte ich beispielsweise eines mit vier Metronomen, die alle anders schwingen, und zwar auf einer Schaukel. Ich habe daneben gestanden und gar nichts gemacht. Das Verblüffende: Die Metronome synchronisieren sich, als wenn sie eine fremde Macht lenkt. Damit will ich zeigen, dass wir alle einem bestimmten Gruppendenken unterworfen sind. Wir glauben, wir denken alle individuell, aber letztlich gibt es Mechanismen, die dazu führen, dass wir die gleichen Produkte kaufen und die gleichen Meinungen haben. Es gibt schöne Sachen aus der Physik, die weitergehende Schlüsse auf gesellschaftliche Dinge erlauben. Und das macht den Leuten Spaß, weil die Ergebnisse verblüffen.
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Genau das hat Frank Schätzing auf „Schwarm-Intelligenz“ gedreht.
Ebert: Man darf nicht vergessen, dass es auch so etwas wie eine Schwarm-Dummheit gibt.
Und den Unterschied erklären Sie bei Ihren Vorträgen.
Ebert: Grundsätzlich ist das soziale Verhalten ein evolutionärer Vorteil gewesen. Wir lernen von einander, und das führte dazu, dass wir heute da sind, wo wir sind. Aber das In-einer-Gruppe-dabei-sein-wollen hat auch große, große Nachteile, wie die Geschichte, auch die deutsche, gelehrt hat. Wenn man weiß, was das Phänomen leisten kann, weiß man auch, wo die Gefahren liegen.
Welche Denk-Anstöße nimmt das Publikum mit nach Hause?
Ebert: Ich bin für die wissenschaftliche Methode: skeptisch bleiben, überprüfen, Quellen sichten. Auch mal eine Statistik lesen, mit denen kann man ja alles beweisen, im Zweifelsfall sogar die Wahrheit. Wir neigen dazu, das eigene Wissen zu überschätzen. Wenn man aber Denkfallen kennt, weiß man: Hah, jetzt könnte ich aufs Glatteis kommen. Im Zweifel gilt der alte Sokrates: Ich weiß, dass ich nichts weiß.