Washington. . Erstmals trat der US-Präsident einem normalen Bürger sein Rederecht für die wöchentliche Rundfunkansprache ab. Francine Wheeler, deren Sohn bei einem Schulmassaker starb, appellierte an den Senat, striktere Waffengesetze durchzusetzen. Der Appell ist herzzerreißend, aber wird er politisch etwas bewegen?
US-Präsident Barack Obama hat am Samstag einer trauernden Newtown-Mutter die traditionelle wöchentliche Rundfunkansprache überlassen. Mit bewegenden Worten rief Francine Wheeler, die vor vier Monaten beim Massaker in einer Grundschule ihren sechsjährigen Sohn Ben verloren hatte, den Kongress zur Verschärfung von Waffengesetzen auf. Dabei kämpfte sie immer wieder mit den Tränen, flehte geradezu um "vernünftige Reformen".
Es war das erste Mal in Obamas gut vierjähriger Amtszeit, dass ein normaler Bürger die Ansprache hielt. Bisher wurde der Präsident allenfalls von seinem Vize Joe Biden vertreten.
Es droht ein enttäuschender Kompromiss
Eine Verschärfung des Waffenrechts gehört seit dem Blutbad von Newtown zu Obamas innenpolitischen Hauptanliegen. Ein Amokläufer hatte im Dezember an der Sandy Hook-Grundschule der Stadt 20 Kinder und 6 Erwachsene erschossen. Der US-Senat wird voraussichtlich am nächsten Donnerstag über striktere Überprüfungen von Waffenkäufern abstimmen.
Es ist ein Kompromiss mit Republikanern, der deutlich hinter Obamas Zielsetzungen zurückbleibt. Aber es steht nicht einmal fest, dass diese abgeschwächte Version im Senat durchkommt - und dann müsste auch noch das republikanisch beherrschte Abgeordnetenhaus zustimmen.
Die wöchentliche Ansprache wird stets im Radio und Fernsehen ausgestrahlt und ist zudem im Internet abrufbar. Wheelers Rede war der herzzerreißende Höhepunkt einer Woche, in der sich Eltern der in Newtown ermordeten Kinder in Washington für schärfere Waffenkontrollen eingesetzt hatten. Obama selbst hatte Mütter und Väter am Montag an Bord der Präsidentenmaschine Air Force One in die Bundeshauptstadt eingeflogen. Dort versuchten sie auch in persönlichen Gesprächen mit Senatoren, zumindest kleinere Reformen zu erreichen.
Erinnerung an das tägliche Leid durch Schusswaffen
Wheeler hatte bei ihrer Rede im Weißen Haus ihren Mann David an der Seite. Mit tränenerstickter Stimme sprach sie von dem Morgen, an dem sie Ben zum letzten Mal lebend sah. Der Schmerz über den Verlust sei noch so groß, als wäre das Blutbad erst gestern geschehen, sagte die Amerikanerin. Sie erinnerte daran, dass seit dem Amoklauf Tausende weitere Menschen in den USA durch Waffengewalt ums Leben gekommen seien.
"Wir müssen den Senat überzeugen, ... vernünftige Reformen durchzuführen, die unsere Gemeinden sicherer machen", beschwor die Mutter die Nation. Mit Blick auf die anderen Opfer-Familien fügte sie hinzu: "Bitte helft uns, bevor unsere Tragödie eure Tragödie wird." (dpa)