Essen. Ausgerechnet das ZDF, gern belächelt als Oldie-Show, zeigt der Konkurrenz am Sonntag, was eine Harke ist. Wahre und deshalb furchtbare Geschichten werden beim „Verbrechen nach Ferdinand von Schirach“ erzählt, perfekt dramatisiert mit einer Bildersprache, die den Vergleich mit skandinavischen Krimis nicht scheuen muss.

Nachdem er die Axt abgelegt, die blutbespritzten Stiefel ordentlich zur Seite gestellt, die Hände umfassend gereinigt, den Ehering sorgfältig abgestreift, ihn nach dem Abtrocknen wieder angelegt hat, also nach all diesen schier endlos wirkenden Ritualen, die uns schon beim Zusehen peinigen, ruft Fähner endlich bei der Polizei an und sagt: „Ich hab’ die Ingrid kleingemacht.“

Und man denkt: Wow. Ist das wirklich deutsches Fernsehen? Solch ein geschliffenes Kleinod wie „Fähner“, mit dem das ZDF am 7. April (22 Uhr) seine großartige neue Serie „Verbrechen nach Ferdinand von Schirach“ startet, kann doch eigentlich nicht in der gleichen TV-Landschaft zu Tage gefördert worden sein, wo sonst kalauernde Kommissare und emotional gestörte Ermittler zu Quoten-Königen gekrönt werden!

Serie muss den Vergleich mit Schweden-Krimis nicht scheuen

Zusätzlich verstörend: Ausgerechnet das ZDF, gern belächelt als Oldie-Show, zeigt der Konkurrenz, was eine Harke ist. Und die Serie läuft auf dem Sendeplatz, wo sonst Inspektor Barnaby Eierdiebe jagt. Wahre und deshalb furchtbare Geschichten werden beim „Verbrechen“ erzählt, perfekt dramatisiert mit einer Bildersprache, die den Vergleich mit skandinavischen Krimis oder hoch gelobten HBO-Serien nicht scheuen muss.

Die Vorlagen stammen von Ferdinand von Schirach, dem Anwalt, der seine Fälle in mehreren Bestsellern aufschrieb. Seine nüchterne Erzählkunst, die den Horror, die grässliche Gewalt nur umso plastischer erscheinen lassen, wird von den Machern der Serie perfekt umgesetzt.

Was ist das überhaupt, überlegt man nach der ersten Folge: Krimi, Psychodrama, Splatter-Spass? Mit selbstbewusster Eleganz springt die Produktion zwischen den Genres hin und her und liefert gleich zum Auftakt ein besonders gelungenes Stück ab.

Blitzschnelle Schnitte, Rückblicke, Schnappschüsse, Comic-Symbole

Edgar Selge spielt den Fähner, einen Arzt, der von seiner Frau jahrzehntelang unterdrückt und gequält wird und sie am Ende zerhackt, buchstäblich „klein macht“. Erzählt wird die Geschichte mit blitzschnellen Schnitten, Rückblicken, Schnappschüssen, Comic-Symbolen, die eine Sekunde durchs Bild taumeln.

Ein rasantes Tempo eben, das aber einen Ruhepunkt hat, eine zentrale Figur, die uns durch alle sechs Folgen an die Hand nimmt. Josef Bierbichler legt den Anwalt Friedrich Leonhardt als Kämpfer für Gerechtigkeit an, bestimmend und unerschütterlich und doch nie als gemütlicher Sympathie-Bolzen wie etwa Dieter Pfaffs „Der Dicke“.

Wer es kaum abwarten kann, und es wäre verständlich nach diesem fulminanten Start: In Folge zwei stehlen am kommenden Sonntag drei Kleinkriminelle eine japanische Teeschale aus einer Berliner Villa. Ein Fehler, wie sich schnell herausstellt.

In Folge drei geht es um das Verschwinden eines Mädchens und einen Abiturienten, der nachts Schafe tötet. Wer danach immer noch lieber Barnaby guckt, ist selber schuld.