Creston. . In der Nacht von Samstag auf Sonntag wird die Zeit umgestellt. Nicht nur bei uns. Auch in Kanada. Aber: nicht überall in Kanada. Creston, ein kleines 13 000-Seelen-Bergdorf in einem einsamen Tal im Westen des Landes, Kanadas, sperrt sich seit Jahren gegen die Sommerzeit. Nicht ganz unkompliziert...
Jim Jacobsen liebt Eishockey. Manchmal richtet der Kanadier seinen ganzen Tagesablauf danach aus, wann in den Arenen des Landes der Puck fällt. Dann eilt er von seinen Terminen nach Hause, schaltet den Fernseher ein und macht es sich in seinem Sessel gemütlich. Doch als Jacobsen unlängst wieder seiner Sport-Begeisterung frönen wollte, ging die Sache schief.
„Ich habe den Fernseher angemacht, aber fast die Hälfte des Spiels war vorbei. Das war ärgerlich.“ Dabei war er pünktlich gewesen und hatte sich genau an die Zeit in der Programmvorschau gehalten. Er ist nicht der einzige in seinem Dorf, dem ein solches Missgeschick ab und zu passiert.
Jacobsen lebt in Creston, einem kleinen Bergdorf in einem einsamen Tal im Westen Kanadas. Viele der 13.000 Menschen leben noch immer so wie schon ihre Vorfahren: vom Obstanbau, der Viehzucht oder der Holzfällerei. Aber auch sonst ticken die Uhren in Creston anders.
Creston gehört zu einem Dutzend Gemeinden in Kanada, in denen die Uhren nie umgestellt werden. Während der Großteil von Nordamerika jedes Frühjahr von der Winter- zur Sommerzeit wechselt, bleibt in Creston alles beim Alten. Hier gilt das ganze Jahr über Winterzeit.
Ich habe stets einen Taschenrechner im Kopf"
Anders als im Rest der Umgebung – und das macht den Alltag kompliziert. „Ich wohne seit über 20 Jahren in Creston, trotzdem verpasse auch ich noch gelegentlich wichtige Termine“, berichtet Jacobsen, der für die lokale Handelskammer arbeitet. „Dabei habe ich stets einen Taschenrechner im Kopf“, scherzt er. Der ist nicht nur bei Sportübertragungen nötig. Sondern auch im Nahverkehr, bei Reisen oder Arztterminen.
Das nächste Krankenhaus etwa liegt eine Autostunde weiter in einer Stadt, die anders als Creston die Zeit umstellt. „Wenn ich im Sommer dort einen Arzttermin habe, muss ich zweieinhalb Stunden vorher losfahren, damit ich pünktlich bin. Im Winter genügen eineinhalb Stunden.“
Ähnlich kompliziert ist es mit der Fähre, die über den nahen Koonetay-See kreuzt. Die Fahrzeiten unterliegen anders als der Ort dem Wechsel der Zeiten. Jacobsen muss also stets die Jahreszeit beachten und aufpassen, dass er nicht zu spät dran ist.
Zentralregierungen sind für die Zeit verantwortlich
Das Durcheinander hat mit den politischen Zuständigkeiten zu tun. In Nordamerika sind nicht die Zentralregierungen für die Zeit verantwortlich sondern die Regionen und Gemeinden. Seit den siebziger Jahren haben die meisten Gebiete die Sommerzeit eingeführt.
Einige Bundesstaaten oder Provinzen aber klinken sich aus, etwa Arizona in den USA oder Saskatchewan in Kanada. Anders als bei einzelnen Ortschaften führt das aber selten zu Problemen, weil es riesige Einheiten betrifft.
Creston dagegen ist ganz auf sich alleine gestellt. Wie es dazu kommen konnte, weiß in Creston eigentlich keiner mehr so ganz genau. Einige Bewohner sagen, dass einst vor allem die Viehbauern gegen die Sommerzeit opponierten, weil sie in der Früh länger bei Tageslicht melken wollten.
Andere glauben zu wissen, dass es an der Eisenbahngesellschaft lag, deren Gleise durch das Tal führen und die sich auf ihren Strecken lange an einer einheitlichen Zeit orientiert hatte.
Bürger lehnen Zeitumstellung an der Wahlurne ab
So oder so: Dem Bürgermeister geht das Ganze mittlerweile ziemlich auf den Nerv. „Die Welt um uns herum ändert sich, wir aber hängen hinterher“, meint Ron Toyota, der selbst in Creston aufgewachsen ist.
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Dieses Jahr will er ein Referendum darüber abhalten – allerdings mit geringen Chancen auf Erfolg. Mehrmals schon hatten die Bürger die Sommerzeit an der Wahlurne abgelehnt. Der Rentner George Huscroft spricht für viele in dem Ort wenn er sagt, man sei auch ohne Zeitverschiebung gut gefahren und die ganze Sache gebe Creston einen besonderen Charme.
Ähnlich sehen es auch die Bürger in Atikokan, einem 2800-Einwohner-Dorf irgendwo in der weiten Mitte von Kanada. In dem idyllischen Flecken, umgeben von tiefen Wäldern und einsamen Seen, geht der Sommer quasi nie zu Ende, denn dort gibt es keine Winterzeit.
„Wir hatten in den letzten Jahrzehnten drei Abstimmungen und jedes Mal war eine große Mehrheit gegen die Zeitumstellung“, berichtet Bürgermeister Dennis Brown. „Jetzt lassen wir alles beim Alten.“
Dabei hat der technische Fortschritt die Intention der Gegner einer Zeitumstellung mittlerweile oft ins Gegenteil verkehrt. Denn auch in Atikokan oder Creston sind viele neuere Uhren mittlerweile satellitengesteuert und springen automatisch auf Sommerzeit um, ebenso viele Mobilfunkgeräte. Wenn die betroffenen Bewohner am Sonntag danach aufwachen, müssen sie also erstmal ihre Uhren und Handys umstellen.