Memmingen. Im Prozess um einen Amokalarm an einer Schule im schwäbischen Memmingen ist der 15-jährige Schüler, der Schüsse abfeuerte, zu einer Jugendstrafe von viereinhalb Jahren verurteilt worden. Die Pistole hatte der Jugendliche aus dem Waffenschrank seines Vaters. Das Motiv war offenbar Liebeskummer.

Knapp neun Monate nach dem Amokalarm an einer Memminger Schule muss der jugendliche Schütze in Haft. Das Landgericht verurteilte den 15-Jährigen am Mittwoch zu viereinhalb Jahren Jugendstrafe. Wie Landgerichtssprecher Manfred Mürbe aus der nichtöffentlichen Verhandlung mitteilte, sprach ihn das Gericht unter anderem wegen versuchten Totschlags in vier Fällen, Bedrohung, Nötigung und Verstößen gegen das Waffenrecht schuldig. Der Angeklagte hatte zum Prozessauftakt Liebeskummer als Motiv angegeben.

"Die Kammer geht nicht davon aus, dass ein Amoklauf geplant war", sagte Mürbe. Vielmehr habe der Schüler mit den Waffen imponieren wollen. Vor allem seine 13 Jahre alte Freundin, die am Tag zuvor mit ihm Schluss gemacht hatte, habe er beeindrucken wollen. Trotz seiner tiefen Kränkung habe er zu diesem Zeitpunkt keine Tötungsabsichten gehabt. Als die Situation eskalierte und der Schüler später auf dem Sportplatz gezielt in Richtung der Polizeibeamten schoss, habe er jedoch billigend in Kauf genommen, dass jemand getötet wird.

Die Staatsanwaltschaft hatte fünf Jahre Jugendstrafe gefordert. Sie war von einem geplanten Amoklauf überzeugt. Dem widersprach die Verteidigerin, die auf versuchte gefährliche Körperverletzung in vier Fällen plädierte. In seinem letzten Wort hat der Angeklagte sich nach Angaben des Justizsprechers entschuldigt. Das Urteil ist rechtskräftig.

Die Vorsitzende Richterin sagte, der Junge sei innerlich verwahrlost aufgrund schwerer Erziehungsfehler. Er habe sich lange als "der Held gefühlt, der auch auf die Polizei geschossen habe". Erst zum Prozessende habe er Einsicht und Reue gezeigt.

Schüler-Schütze flüchtete zum Sportplatz

Es waren dramatische Stunden, die sich am 22. Mai 2012 in Memmingen (Bayern) abspielten. Kurz nach Mittag betrat der damals 14-Jährige mit scharfen Waffen seines Vaters die Mensa der Lindenschule, wo er nach seiner Ex-Freundin suchte. Dort bedrohte er mehrere Menschen und gab einen Schuss ab.

Die etwa 280 Schüler verschanzten sich mit den Lehrern in ihren Klassenzimmern. Der junge Schütze flüchtete. Auf einem Sportplatz wurde er von einem Großaufgebot von Polizisten mit Hunden und Hubschraubern entdeckt. Trotz der ausweglosen Lage versteckte sich der Junge in einer Holzhütte und hielt die Polizei mit zahlreichen Schüssen auf Distanz. Erst nach mehrstündigen Verhandlungen konnten ihn Spezialkräfte zur Aufgabe bewegen.

Dass bei den Ereignissen niemand verletzt wurde, ist nach Auffassung des Gerichts dem besonnenen Verhalten der Beamten zu verdanken. "Es grenzt an ein Wunder, dass niemand zu Schaden gekommen ist", sagte die Vorsitzende Richterin in ihrer Urteilsbegründung. Mehr als 70 Patronenhülsen waren auf dem Sportplatz sichergestellt worden. (dpa/dapd)