Frankfurt.. Die ARD-Filmtochter Degeto gilt als Schnulzenfabrik. Degeto-Chefin Christine Strobl, die Tochter von Finanzminister Wolfgang Schäuble, will weg von diesem Image. Stattdessen setzt sie auf intelligente Unterhaltung, um ein jüngeres Publikum als bisher zu erreichen.

Die ARD-Filmtochter Degeto in Frankfurt gilt als Schnulzenfabrik. Doch Degeto-Chefin Christine Strobl will für frischen Wind sorgen. Wie, das verrät die Tochter von Finanzminister Wolfgang Schäuble im Gespräch mit Jürgen Overkott.

Sie kommen aus einer Politiker-Familie. Stählt das für höhere Aufgaben?

Christine Strobl: Ich will es so formulieren: Wenn man mit Menschen zu tun, die in der Politik tätig sind, hilft das manchmal, die eigenen Probleme nicht zu überschätzen.

Zu politischen Ämtern drängt es Sie nicht.

Christine Strobl: Nein, danach drängt es mich nicht und ich wäre dafür auch nicht geeignet. Ich arbeite lieber im kreativen Bereich und beschäftige mich mit Spielfilmen.

Bleiben Ihnen bei all den Verwaltungsaufgaben, die eine ARD-Tochter wie die Degeto mit sich bringt, Freiräume für Kreativität?

Christine Strobl: Die Geschäftsführung der Degeto besteht aus zwei Personen: Stefan Lux ist für das Kaufmännische zuständig und ich für die Inhalte. Man könnte auch sagen: Herr Lux macht das Schwierige, ich mache das Schöne. Ich bin in jede Stoffentwicklung eingebunden und arbeite eng mit den Redakteuren zusammen. Wir reden über das Drehbuch, die Regie und die Besetzung. Außerdem bin ich am Ende für das Ergebnis verantwortlich und insofern bis zur Endabnahme dabei.

Auch in Zeiten der Umstrukturierung?

Christine Strobl: Ich gebe zu, dass es im Augenblick Dinge gibt, die mich davon abhalten, mich so intensiv um die kreativen Dinge zu kümmern, wie ich es gern möchte. Aber das gilt nur für eine Übergangszeit.

Freihändig vergebene Aufträge, schlampige Steuer-Erklärungen

Die Umstrukturierung wurde nötig, weil Aufträge freihändig vergeben und Steuer-Erklärungen schlampig gemacht wurden. Was haben Sie an Veränderungen in die Wege geleitet?

Christine Strobl: Bereits meine Vorgänger haben mit der Umstrukturierung begonnen. Wir sind dabei, ein neues EDV-System für die Budgetsteuerung zu entwickeln. Es gibt umfangreiche neue Regelwerke, eine neue Geschäftsordnung und eine neue Satzung. Außerdem haben wir das Vier-Augen-Prinzip auf allen Ebenen eingeführt, so dass kein Geschäftsbereich allein entscheiden kann.

Und die Steuern?

Christine Strobl: Die ARD ist mit den Finanzbehörden im Gespräch. Wir arbeiten an neuen vertraglichen und strukturellen Lösungen, damit sich solche Fehler nicht wiederholen. Mir ist wichtig zu betonen, dass dem Finanzamt kein materieller Schaden entstanden ist. Es geht vor allem um Formfehler.

Gegen Verunglimpfung der Kreativ-Szene

Aber selbst wenn wir die finanziellen Probleme zur Seite schieben: Kritiker zweifeln an der Kreativität der Degeto.

Christine Strobl: Diese Kritik kann ich nicht teilen. Sie bedeutet auch eine Verunglimpfung der Kreativ-Szene in Deutschland, also der Produzenten, der Autoren und der Regisseure, mit denen wir arbeiten. Und sie bedeutet eine Missachtung des Publikums, denn dieses schaut unsere Filme sehr gern.

Bleibt der Vorwurf mangelnder Relevanz.

Christine Strobl: Nehmen wir etwa „Operation Zucker“, eine Produktion von BR, ARD Degeto und WDR. Da geht es um Kinderprostitution, und zwar so eindrücklich, dass wir aus Jugendschutzgründen um 20.15 Uhr eine abgemilderte Fassung ausstrahlen mussten. Die Diskussion in der Öffentlichkeit hat aber gezeigt, dass es richtig war, an dieser Stelle mutig zu sein. Ein anderes Beispiel ist die Literaturverfilmung von „Der Turm“. Da haben wir Ost-Geschichte auf eine Weise erzählt, die dazu geführt hat, dass sich sehr viele Menschen damit beschäftigt wollten.

Den Zuschauer in seinem Unterhaltungsbedürfnis ernst nehmen

Und dennoch wird die Degeto hauptsächlich mit leichter, manche sagen: seichter Unterhaltung identifiziert.

Christine Strobl: Sie sprechen den Sendeplatz am Freitag um 20.15 Uhr an, an dem wir ganz bewusst unterhaltende, emotionale Formate zeigen. Auch der Beitragszahler, der zum Wochenausklang einfach nur intelligent unterhalten werden will, hat ein Recht auf ein entsprechendes Angebot. Wir nehmen den Zuschauer in seinem Unterhaltungsbedürfnis ernst.

Und dennoch gilt der Freitag auch innerhalb der ARD als Baustelle. Was kommt da von Ihnen?

Christine Strobl: Unter dem Gesichtspunkt der Zuschauer-Akzeptanz ist der Freitagsfilm keine Baustelle, sondern eine große Erfolgsgeschichte. Aber: Wir sind schon seit einiger Zeit dabei, den Freitagabend zu öffnen. Es wird eine größere Palette an Stoffen geben, die gesellschaftlich relevante Themen aufgreifen und in leichter Form erzählen. Auch was die Darsteller angeht, wollen wir eine größere Vielfalt. Wir arbeiten mit verschiedenen Regisseuren und Produzenten zusammen. Aber mir geht es nicht um Neues, um des Neuen willen, sondern um eine sorgsame Modernisierung. Der Zuschauer mag den Freitagsfilm und wir stellen uns an seine Seite.

Mehr Zuschauer zwischen 30 und 60 erreichen

Die Akzeptanz bei jüngeren Zuschauern ist allerdings längst nicht so groß wie bei den Älteren.

Christine Strobl: Natürlich streben wir an, auch jüngere Zuschauer zu erreichen. Wenn wir durch eine größere Auswahl an Themen und Darstellern 30- bis 60-Jährige für unser Programm interessieren können, dann wäre das ein großer Erfolg. Beim „SommerKino im Ersten“, das montags in der Prime-Time läuft, haben wir das letztes Jahr geschafft. Das SommerKino ist mir ein echtes Herzensanliegen, da wir dort nationale und internationale Filmerfolge zeigen können.

Und dennoch laufen manche hochkarätige und auch hochkarätig besetzte Filme mitten in der Nacht.

Christine Strobl: Ich glaube, dass wir in zwei, drei Jahren ganz weg kommen von der Frage nach dem Sendeplatz. Gerade bei einem Spielfilm ist die Bereitschaft groß, sich etwas aufzunehmen oder zeitversetzt in der Mediathek anzusehen. Viele Kinofilme sind nur mit Fernsehbeteiligung zu verwirklichen, und ich glaube daran, dass auch der Arthouse-Film zu unserem Angebot gehören muss.

Fernsehen erreicht mehr Publikum als Kino

Warum ist Ihre Event-Produktion „Nacht über Berlin“ nicht fürs Kino gemacht worden?

Christine Strobl: ...weil wir im Fernsehen viel mehr Menschen mit diesem wichtigen Thema erreichen können! Der Reichstagsbrand vor 80 Jahren war eine entscheidende Etappe zur Machtergreifung der Nazis. Das Ereignis erscheint uns heute einerseits weit weg, andererseits ist es sehr aktuell, wenn wir etwa an die Existenz einer rechtsextremistischen Untergrundorganisation denken. Durch den Themenabend am 20. Februar im Ersten können wir uns intensiv diesem Thema widmen: Um 20.15 Uhr mit dem Film „Nacht über Berlin“, der die Zuschauer auf hochemotionale Weise in eine komplexe Ausgangssituation führt, auf die er sich sonst vielleicht nicht so leicht einlassen würde. Danach arbeitet die Dokumentation „Nacht über Deutschland“ die historische Faktenlage auf und zeigt, wie Hitler den Reichstagsbrand für seine Zwecke instrumentalisierte. Die Talkrunde bei Anne Will diskutiert anschließend aktuelle Bezüge im Hinblick auf unsere Demokratie.

Dennoch spielen wir mal durch: Der Film wäre ins Kino gekommen...

Christine Strobl: ...dann hätten wir, wenn’s wirklich gut laufen würde, eine Million Zuschauer. Im Fernsehen reden wir von fünf Millionen und mehr. Nicht, weil der Reichstagsbrand sich zum 80. Mal jährt, sondern weil das Thema so wichtig ist, möchten wir dieses Ereignis in das Bewusstsein von so vielen Menschen wie möglich heben.