Ruhrgebiet. . Der Skandal um nicht deklariertes Pferdefleisch zieht weitere Kreise - und die Aufregung bei den Verbrauchern ist groß. Doch anrüchig, da sind sich ein Recklinghäuser Ross-Metzger und ein Kölner Philosoph einig, ist es nicht, Pferdefleisch zu essen. Aber: es als Rindfleisch auszuzeichnen.
„Pferdefleisch ist Kopfsache“, sagt Bert Hobbold. Für Menschen, die es nicht essen wollten, habe er „vollstes Verständnis“. „Pferdefleisch ist gesund und lecker“, sagt Andreas Speer. Es zu essen, sei „nicht unethischer“ als Schwein oder Rind zu essen. Die aktuelle Aufregung, den „Pferdefleisch-Skandal“, verstehen beide nicht, weder Hobbold, Ross-Metzger in Recklinghausen, noch Speer, Philosophie-Professor in Köln.
Er verfolge die Diskussion „amüsiert“, erklärt Andreas Speer, finde sie „irrational“. Denn die Pferdefleisch-Burger, die erst die Briten, dann ganz Europa empörten, seien vermutlich „die gesündesten gewesen, die sie je gegessen haben, wenn das Fleisch nicht verdorben war!“ Schließlich hätten unsere Vorfahren, Omnivoren (Allesfresser) wie wir, „seit der letzten großen Eiszeit“ Pferd verspeist.
Eines der ältesten Nahrungsmittel
Tatsächlich ist Pferdefleisch eines der ältesten Nahrungsmittel überhaupt; was unter anderem Höhlenmalereien belegen. Erst 732 wurde der Verzehr von Papst Gregor III. verboten. Warum, darüber streiten die Experten. Die einen sagen, es habe mit der Christianisierung der heidnischen Germanen zu tun. Andere glauben, der Papst habe nur verhindern wollen, dass Pferde in den Bäuchen seiner Schäfchen landeten, weil es seinen Soldaten an Streitrössern mangelte. Wie auch immer: Das Volk, es gehorchte nicht recht. Später hatte es kaum eine Wahl: In der Nachkriegszeit war Pferdefleisch ein beliebtes Arme-Leute-Essen. In Frankreich findet man es noch heute im Supermarkt, in Italiens Süden gilt es als Delikatesse.
Der klassische Rheinische Sauerbraten
Und auch in Deutschland ist der klassische Rheinische Sauerbraten einer vom Pferd. Noch immer gibt es hier rund 100 Pferde-Fleischereien wie die von Dirk Bäumer in Dortmund, bei dem gestern nur der Anrufbeantworter lief („Wenn Sie ein Pferd abzugeben haben, wählen sie die Mobilnummer...), oder die von Bert Hobbold, dem Recklinghäuser Ross-Metzger. Von Fohlenfilet bis Pferde-Chorizo ist bei ihm rund ums Pferdefleisch zu haben, was das Herz (oder der Kopf, der Bauch?) begehrt.
Bratenstücke und Klopse in Sauce gehen am besten; der Metzger mag am liebsten Steak. Sogar „Rübe“, das eigene Reitpferd, habe er nicht verschmäht, als es geschlachtet werden musste. „Anrüchig“, sagt der 43-Jährige, der das Familienunternehmen in vierter Generation führt, „ist doch nicht, dass jemand Pferdefleisch isst. Anrüchig ist nur, wenn ihm das Pferd als Rind untergejubelt wird.“
„Beißhemmung“ gegenüber Streicheltieren
Die „Beißhemmung“, die so manchen Menschen dennoch befällt, wenn Pferd aufgetischt wird, erklärt Philosoph Andreas Speer mit der „Anthropomorphisierung“ des Pferds als Partner des Menschen. Tiere, denen wir Namen geben, essen wir nicht. Skandal um Rosinante also? Nicht nur, sagt Speer. Und führt Kulturgeschichtliches an: Was wir essen oder nicht essen, stiftet auch Identität, bestimmt Gruppenzugehörigkeit. Katholiken fasten Aschermittwoch, Juden leben koscher. Weshalb in Korea oder Vietnam eben auch das auf den Tisch kommt, was bei uns darunter mit dem Schwanz wedelt; das „Gewinnen und Anbieten“ von Hunde- oder Katzenfleisch ist in Deutschland sogar gesetzlich verboten.
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Wie den Muslimen das Schwein, den Indern das Rind... Und ein Deutscher, der sich ekelt bei dem Gedanken, dass in Ecuador Meerschweinchen eigens für den Verzehr gezüchtet werden, hat wohl noch nie einem Chinesen ein Mettbrötchen angeboten.
Angebot auf dem Wochenmarkt
Wer nun also doch mal probieren will: Einen Pferdemetzger findet man auch auf dem Wattenscheider Wochenmarkt. Meist, gestern nicht. Viel Umsatz hätte der Mann am Veilchendienstag hier wohl auch nicht machen können. Die Kunden standen Schlange am Stand des Fleischers gegenüber. Der verkaufte: Gänsereiterwurst!