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Update, Januar 2014: Aus aktuellem Anlass - der Facebook-Eintrag zur Aktion wird zurzeit offenbar wieder massiv weitergereicht - die Info: Die Aktion ist inzwischen abgeschlossen. Anna Blaswich hat ihr Volontariat erfolgreich beendet.

Täglich gibt es neue Facebook-Aktionen. Like-Sammler lassen sich allerhand einfallen, um mit Hilfe der geballten Facebook-Nutzerschaft ihre Wünsche durchzusetzen. Das möchte ich auch, und dafür habe ich meinen Chef herausgefordert: Wenn ich eine Million Likes sammle, werde ich Chefredakteurin für einen Tag.

Papa will dir keinen Hund kaufen? Deine beste Freundin möchte nicht mit dir schlafen? Deine Schwester ist nicht ganz davon überzeugt, dass Megatron der ideale Name für ihr Baby ist? Diese Probleme waren bisher nur schwer zu lösen. Papa konnte man höchstens mit guten Noten und selbstgemalten Bildern überzeugen, die beste Freundin mit Blumen und Komplimenten locken, die werdende Mutter könnte man vielleicht mit Heldengeschichten über den Transformer für die Sache begeistern.

Heute gibt es zum Glück Facebook. Das Soziale Netzwerk hilft beim Überzeugen. Nicht mit guten Argumenten, aber mit Masse an Unterstützung. Kinder bekommen für eine Million gesammelte Likes ein Hundebaby, Jungs genug Stimmen, um die beste Freundin mit ins Bett zu nehmen, und Onkel die Macht über die Namenswahl von Neffe oder Nichte.

Die Macht der Facebook-Likes

Das Phänomen breitet sich aus. Großes Aufsehen erlangten die beiden Mädchen aus Boston. Sie wünschten sich nicht mehr als ein Hundebaby. Papa war nicht ganz überzeugt und stellte eine Bedingung: Die Mädchen sollten für ihre Idee eine Million Likes bei Facebook sammeln. Die Cornell-Schwestern malten ein Schild mit dem Aufruf: "Hallo Welt, wir wollen einen Welpen haben! Unser Papa hat gesagt, wir bekommen einen, wenn wir eine Million Likes sammeln. Also gebt diesem Foto ein Like!"

Das posteten sie auf ihrer eigens angelegten Seite "Twogirlsandapuppy", und schon wenige Stunden später hatten die Mädchen die Millionengrenze geknackt. Papa gab nach und kaufte den überglücklichen Mädels Hundebaby Millie. Auf der Seite erzählen die Cornell-Kinder seitdem von Erlebnissen und dem Alltag mit dem neuen Familienmitglied.

Auf diesen Zug sprang der 20-jährige Norweger Petter Kverneng auf. Er wettete mit seiner besten Freundin Catherine: "Wenn ich eine Million Likes sammeln kann, dann schläft sie mit mir." Sein Post verbreitete sich rasend schnell durchs Internet, und so erreichte auch er die eine Million Likes. Mit Catherine ins Bett ging es dann aber letztendlich doch nicht. "Es war alles nur ein Scherz. Ich dachte nicht, dass ich es schaffe."

Abgesehen von, ob der Wettgewinn auch eingelöst wird und wie geschmackvoll oder geschmacklos solche Wetten sind: Der Erfolg dieser Like-Sammelaktionen ist riesengroß. Und die Bandbreite ist es ebenso.

Kann ich das auch schaffen?

Ich bin Volontärin bei der WAZ, zur Zeit arbeite ich bei unserem Onlineportal WAZ.de. Hier begegnen mir regelmäßig Like-Sammler-Aktionen. Sie sind nicht nur ein Weg, um zu bekommen, was man sich wünscht, sondern auch eine Möglichkeit, mit vielen Leuten in Kontakt zu kommen. Warum es solche Aktionen gibt, leuchtet mir also absolut ein. Doch mich interessiert vor allem eine Frage: Warum sind diese Like-Sammler so erfolgreich? Wie schaffen es wildfremde Menschen, Tausende derart zu beeindrucken, begeistern oder zu belustigen, dass die sich für ihre Sache, ihr Vorhaben einsetzen und ihren digitalen Daumen heben?

Und vor allem: Kann ich das auch? Einen Versuch ist das doch wert, denke ich. Um die Macht der Internetnutzer - Eure Macht - zu demonstrieren, entstand deshalb folgende Idee: Ich versuche auch, eine Million Likes zu sammeln.

Mit dem Vorhaben stieß ich in der Redaktion zunächst auf nettgemeintes Lächeln. Jaja, mach du mal. Mit den Geschichten von den Cornell-Mädchen, die innerhalb weniger Stunden die Stimmen für ihren Hund zusammen hatten, konnte ich dann aber nach und nach das Team auf meine Seite ziehen. So hatte ich die analoge Like-Aktion schon einmal gemeistert.

Das Ziel: Der Einzug ins Chef-Büro

Für einen Hund habe ich keine Zeit, ich bin glücklich in einer Beziehung, und ein Kind erwarte ich auch nicht. Ein Thema muss also noch gefunden werden. Unser Online-Chefredakteur Thomas Kloß ist sicher: Ich schaffe das eh nicht. Er ist sich sogar so sicher, dass er seinen Posten darauf verwettet. Und damit ist die Sache rund: „Mein Chef sagt, wenn ich eine Million Likes bekomme, räumt er sein Büro und lässt mich einen Tag lang Chefredakteurin sein.“ Also Volontärin dem Chef Konkurrenz machen? Den Mutigen gehört die Welt!

Endlich könnte ich bestimmen, welche Themen ins Portal kommen, in der Konferenz hätte ich das Sagen, und für die Mittagspause könnte ich mir eine Hängematte im Büro sehr gut vorstellen. Damit das auch klappt, braucht es natürlich einiges an Vorbereitung. Ich mache mich auf die Suche nach einem Experten, der mir das Phänomen erklären kann. Ich telefoniere mich von Medienpsychologe zu Sozialforscher, doch die Like-Aktionen sind zwar bekannt, aber anscheinend noch nicht als wissenschaftliches Thema.

Nach vielen Recherche-Enden finde ich dann aber doch die Frau, die sich auskennt, die mir helfen kann, die Expertin auf dem Gebiet: Tina Ganster ist wissenschaftliche Mitarbeiterin des Fachgebiets „Sozialpsychologie: Medien und Kommunikation“ an der Universität Duisburg-Essen. Und sie schreibt ihre Doktorarbeit zum Thema Facebook und das Konzept der "Likes". Perfekt.

Zunächst einmal die Ernüchterung. "Warum ein Projekt Erfolg hat und Massen an Reaktionen hervorruft und ein anderes völlig ins Leere läuft, kann man nicht wirklich erklären. Das hängt von den Nutzern, dem Umständen, den Verbreitern ab", sagt Ganster. Schade. Auch das Argument, dass "Kinder und Tiere immer ziehen", kann ich für mein Thema nicht nutzen.

Die Tipps von der Expertin

Doch auch für mich hat Tina Ganster einige wertvolle Tipps: Ich soll freundlich und sympathisch sein. Das kriege ich hin, freundlich kann ich gut. Ich nehme Pakete für meine Nachbarn entgegen und behalte sie auch dann nicht heimlich. Ich biete meinen Platz Omas und Opas in der Bahn an, und an der Kasse lasse ich Leute mit zwei Teilen vor. Außerdem lächle ich und grüße - auch fremde Menschen.

Authentisch soll ich sein. Echt, wahr und erreichbar. Bin ich. Wenn ihr Fragen habt, könnt ihr mich antwittern - da heiße ich @anna_blaswich. Falls das mit dem Chefredakteurs-Job klappt, bin ich gespannt auf eure Themenvorschläge für die Konferenz. Aber erst mal muss das mit der Million klappen. Also: Schenkt mir Euer Like und helft mir, meinen Chef zu entmachten. Und ihn zu übrzeugen, dass eine Hängematte im Büro eine gute Idee ist.