London. Zwei Menschen sterben bei dem Unglück im Zentrum der britischen Hauptstadt. Der Helikopter war offenbar wegen schlechter Sicht mit einem Baukran an einem Hochhaus kollidiert. Der Pilot galt als sehr erfahren.
Er befand sich schon auf Kurs zur Notlandung, als er im dichten Nebel mit der Kabine eines Baukrans kollidierte: Hubschrauber-Pilot Pete Barnes, der gestern Morgen zur Hauptverkehrszeit über der Londoner Innenstadt abgestürzt ist, wurde womöglich vom wechselhaften Wetter überrascht. Mit zwei Toten und 13 Verletzten ist die Metropole nur knapp einer noch größeren Katastrophe entkommen.
Um 8 Uhr knallt der Hubschrauber vom Typ Agusta Westland AW 109 am höchsten Wohnhaus Großbritanniens in einen Baukran. In dem Neubau bringen Mütter ihre schreienden Kinder aus den Wohnungen. „Wir haben sofort an 9/11 gedacht“, sagt Bewohnerin Sarah-Beth Casey. Über der Wandsworth Street, einem Nadelöhr, durch das sich wie jeden Morgen Tausende Pendler Richtung Zentrum stauen, regnet es Feuerbälle. Bauarbeiter, Landschaftsgärtner und Angestellte vom hundert Meter entfernten Inlandsgeheimdienst MI6 suchen vor den Trümmern Deckung hinter Büschen und Mauern. Ein VW Polo brennt komplett aus, das Getriebe des Hubschraubers saust in die Hallen des Blumengroßhandels und zerfetzt dort einem Londoner das Bein. Am Fuß des 181 Meter hohen Wohnturms versucht Michael Krumstets seinen Schock zu verarbeiten: „Wir schauten in den Himmel und sahen, wie das verdrehte Wrack genau auf uns herunterschoss. Ich meine: Das erwartet man einfach nicht auf dem Weg zur Arbeit – einen abstürzenden Helikopter. Wir rannten um unser Leben.“
Undurchdringlicher Nebel im Stadtzentrum
Rettungskräfte verarzten Knochenbrüche, Schnitte und Brandwunden. Für den Piloten Pete Barnes und einen Passanten können sie nichts mehr tun. Graue Nebelschwaden umhüllen die Unglücksstelle in großer Höhe; nur eine Stunde später hat die Sonne die tückischen Schlieren wieder aufgelöst. Wäre Barnes zu einer anderen Zeit gestartet, wäre sein Flug reine Routine gewesen.
Ersten Ermittlungsergebnissen zufolge hatte er bei Abflug im Süden von London noch klare Sicht; auch an seinem Ziel, Elstree im Norden der Stadt, gab es keine größeren Probleme mit Nebel. In der Stadt jedoch herrschten dramatisch andere Verhältnisse: Vom Boden aus, berichten Augenzeugen, konnte man die Warnlichter des Baukrans schon nicht mehr erkennen. Der Nebel war so dicht, dass selbst der City Airport im Londoner Osten Flüge hatte verschieben müssen. Auch Barnes hat unterwegs offenbar die brenzlige Lage erkannt und um Genehmigung zur Notlandung am Heliport im Viertel Battersea gebeten – drei Meilen vom Unglücksort entfernt. Er flog niedrig und nur auf Sicht.
Der Pilot galt als sehr erfahren
Ob es in der Luft noch andere Probleme gab, ist nun eine Frage, die die Ermittler beschäftigt. Barnes war mit 9000 Praxisstunden ein erfahrener Pilot, der neben Rettungseinsätzen auch Action-Szenen für den James-Bond-Film „Die Another Day“ geflogen war. Eine Augenzeugin will an dem Helikopter schon ein „Zittern und Wackeln“ bemerkt haben, als er noch genügend Abstand zum Hochhaus hatte.
Barnes war gestartet, um einen hochrangigen Geschäftsmann zum Termin abzuholen. Dass Hubschrauber sich auf ihren London-Flügen – trotz der vielen neuen Wolkenkratzer - am Lauf der Themse orientieren, ist selbst bei gutem Wetter normal und legal. Diese Praxis soll nun auf den Prüfstand gestellt werden. „Der stark zunehmende Privatverkehr von Hubschraubern ist ein Risiko, das wir in einer so dicht besiedelten Metropole wie London nicht gebrauchen können“, kritisierte Ex-Bürgermeister Ken Livingstone die Situation gegenüber Sky News.
Neben Betroffenheit machte sich gestern Mittag auch Erleichterung in der Stadt breit. Wäre der Hubschrauber nur wenige Meter weiter abgestürzt, wäre die Zahl der Opfer sehr viel höher ausgefallen. Besonders der Kranführer hatte Glück im Unglück: Weil er morgens noch die Kinder zur Schule gebracht hatte, war er spät dran und lief gerade erst die Stufen zur Führerkabine hoch, als sie vom Hubschrauber zerschmettert wurde. Bis auf einen Riesenschreck ist er wohlauf.