Ulm. . Ihren härtesten Kampf hat Rola El-Halabi schon gewonnen. 2011 wurde die Boxerin von ihrem Stiefvater niedergeschossen. Doch sie gab nicht auf – am Samstagabend steht sie wieder im Boxring. Die Erinnerungen bleiben: “Ich habe Angst, dass ich zusammenbreche, weine und alles wieder hochkommt.“
Den härtesten Kampf hat sie schon gewonnen. Das hört Rola El-Halabi oft in diesen Tagen, denn wer, bis auf sie selbst, hätte geglaubt, dass die junge Frau aus Ulm am Samstagabend in den Boxring klettert, dass sie wieder Weltmeisterin werden will? 33 Monate, nachdem ihr Stiefvater sie niedergeschossen hat. Ein Duell als Selbsttherapie. „Das ist mein Traum, ich wollte ihn weiterleben“, hat sie kurz nach ihrem Entschluss vor zwei Monaten gesagt. Und ja, auch vor diesem Klischee kann sie sich nicht drücken: Die Deutsche, die vor 27 Jahren in Beirut geboren wurde, wird als Musterbeispiel herhalten dafür, dass man sich auch von den schlimmsten Rückschlägen nicht unterkriegen lassen darf. Dazu passen Sätze, die man sonst eher in Filmdrehbüchern liest. Auch dieser: „Er wollte mich ganz unten sehen, aber diesen Wunsch werde ich ihm nicht erfüllen.“
Der Mann will sie auf brutalstmögliche Art bestrafen
Er, das ist ihr Stiefvater. Am 1. April 2011 steht er im Türrahmen der Kabine in Berlin-Karlshorst. Sie will in ein paar Minuten ihren WM-Titel im Leichtgewicht verteidigen. Doch Hicham El-Halabi, durchtrainierter Kickboxer, schickt Masseur und Helfer raus, knallt die Tür zu, drückt einen Stuhl unter die Klinke und zückt eine Pistole. Er schießt ihr in die rechte Hand und in den linken Fuß. Doch das ist ihm nicht genug; er lädt nach und drückt wieder zweimal ab, trifft das rechte Knie und noch einmal die linke Hand. Er will Rola nicht töten, er will sie zum Krüppel schießen, sie auf brutalstmögliche Weise bestrafen, er will ihr das nehmen, was ihr am wichtigsten ist. Sie soll nie wieder boxen können.
Jahrelang hatte er ihr Leben bestimmt, sie gemanagt, ihre Karriere als Profiboxerin angeschoben, zu der sie sich nach dem Abitur entschlossen hatte. Doch dann verliebt sie sich, es kommt zum Streit mit dem Stiefvater, weil er die Beziehung verhindern will. Er werde sie „über den Haufen schießen“, droht Hicham El-Halabi. Seine Stieftochter nimmt all ihren Mut zusammen und sagt ihm, dass es vorbei ist, dass sie ihren Weg ohne ihn gehen wird. Eifersucht nennt denn auch das Berliner Landgericht sein Motiv und verurteilt den 46-jährigen Mann im November 2011 zu sechs Jahren Haft.
Stiefvater zu sechs Jahren Haft verurteilt
Rolas Mittelhandknochen ist zertrümmert. Spezialisten setzen ihr eine Metallplatte ein, sie wird neunmal operiert innerhalb von zwei Wochen, sie sitzt wochenlang im Rollstuhl, lernt unter großen Schmerzen langsam wieder das Laufen. Und im Frühjahr 2012 drischt sie zum ersten Mal nach langer Pause gegen einen Sandsack. „Ich wollte immer auf dem Höhepunkt meiner Karriere aufhören, und dieser erste April war sicher nicht der Höhepunkt“, erzählt sie den Journalisten. Das habe sie angetrieben.
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Frauenboxen war und ist jenseits von Regina Halmich eher eine Randsportnotiz, vor allem wenn die Fernsehsender nicht mitspielen. Rola El-Halabi schafft es für eine Weile zu trauriger Berühmtheit. Wer würde über sie reden, wäre sie nicht niedergeschossen worden? Das Interesse der Medien am Kampf selbst, den sie gegen eine sechs Jahre ältere Italienerin namens Lucia Morelli bestreitet, ist deutlich geringer. Sie veranstaltet ihn in ihrer Heimatstadt Ulm ohne größere Sponsoren, und wenn die Halle mit 7000 Plätzen nicht voll ist, zahlt sie dem Vernehmen nach drauf. „Bild“ beruhigte am Donnerstag, es seien bereits 4000 Tickets im Vorverkauf abgesetzt worden.
Die Schläge ihrer Gegnerin könnten Rola El-Halabi womöglich weniger zu schaffen machen als die Psyche, hat sie dem Blatt klargemacht. „Ich fürchte nur den Gang in die Kabine. Dort werden alle schlimmen Bilder wieder hochkommen. Sobald jemand an die Tür kommt, werde ich zusammenzucken. Ich habe Angst, dass ich zusammenbreche, weine und alles wieder hochkommt.“