Paris. Ein winziger Ort in den Pyrenäen soll vom „Weltuntergang“ verschont bleiben. Die Maya-Prophezeiung sorgt für einen Ansturm von Touristen. Auf Geheiß des Präfekten wird der „Pic de Bugarach“ an den kritischen Tagen zwischen dem 19. und 23. Dezember gesperrt.
Das Ende der Welt naht. Schon in wenigen Tagen, genau am 21. Dezember 2012, soll’s so weit sein. Für New-Age-Apostel und Apokalyptiker, für Esoteriker und Ufo-Freaks, die sich auf den berühmten Maya-Kalender berufen, besteht daran nicht der geringste Zweifel. Nun, geht an diesem Tag die ganze Welt unter? Nein! Ein von 180 Seelen bewohntes Dörfchen zwischen Perpignan und den Pyrenäen soll von dieser Apokalypse verschont bleiben.
Bugarach heißt dieses verschlafene Nest, das inzwischen weltweite Berühmtheit erlangt hat. Über die schludrig ausgelegte Prophezeiung der Maya hat sich in Bugarach eine zweite Deutung gelegt. Diese besagt, dass jene „Erleuchteten“, die am „Tag X“ auf den 1230 Meter hohen Hausberg „Pic de Bugarach“ kraxeln, auf wundersame Weise von Außerirdischen gerettet werden. Möglicherweise sogar in fliegenden Untertassen oder Raumfahrzeugen.
Invasion der „Erleuchteten“ wird für 21. Dezember erwartet
Schon seit zwei Jahren wird eine Invasion der „Erleuchteten“ zum 21. Dezember 2012 herbeigefaselt. Selbst seriöse Agenturen heizen den Rummel an, indem sie auch jetzt noch absurde Zahlen von 20 000 bis 100 000 zu erwartenden Untergangs-Fanatikern und Endzeit-Touristen aus aller Welt in Umlauf bringen. Anstatt auf die Bremse zu treten, tat Jean-Pierre Delord, der umtriebige Dorf-Bürgermeister, das exakte Gegenteil.
Er ließ Postkarten vom „Pic“ mit hineinmontierten Ufos drucken und versprach seinen Leuten einen segensreichen Besucherandrang, ja sogar steigende Grundstückspreise. Spektakulär war sein Panik-Interview, in dem er die Armee anforderte, um der Esoteriker-Invasion Einhalt zu gebieten.
Kamerateams aus aller Welt
Die Truppe wird garantiert in den Kasernen bleiben, dafür ist an diesem zweiten Adventssonntag der ranghöchste Beamte des Départements zugegen: Eric Freysselinard, der Präfekt aus Carcassonne, samt seinem Kabinett. Nach der Inspektion gestehen die Männer missmutig: „Wir haben in der Region eigentlich wichtigere Dinge zu erledigen als so was.“
Zwölf Tage vor dem Weltuntergang ist von Weltuntergangs-Gurus nichts zu sehen. Stattdessen muss der Präfekt nun den Informationsdurst von Kamerateams, Reportern, und Radioleuten aus aller Welt stillen. „Ich war bei der Überschwemmung der Loire im Einsatz und bei der Jugendrevolte in der Pariser Banlieue“, sagt Freysselinard. Und er fügt irritiert hinzu: „So etwas wie hier habe ich noch nicht erlebt.“
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„Deppendorf mit Deppenberg“
Auf Geheiß des Präfekten wird der „Pic de Bugarach“ an den kritischen Tagen zwischen dem 19. und 23. Dezember gesperrt. Gut 150 Gendarmen und Feuerwehrleute rücken an, um verzweifelte Endzeitfanatiker und Suizidgefährdete vor sich selbst zu schützen. Falls sie wirklich kommen.
Die Leute von Bugarach quittieren das obskure Interesse an ihrem Dorf mittlerweile mit angesäuerter Miene. Nicht weniger als drei Versammlungen in den umliegenden Dörfern hat der Präfekt schon abhalten müssen, um ihnen die Angst zu nehmen. Die Angst vor gesperrten Straßen, Verboten, Einschränkungen. Und das kurz vor Weihnachten.
Viele Besucher kommen aus Neugierde
Bugarach ist genervt. Auch in der einige Kilometer entfernten Herberge „L’Ecluse du Soleil“ bleiben die Türen für Untergangs-Apostel verschlossen. „Die kommen mir nicht ins Haus“, sagt Vermieter François Dumas. Andere nehmen es mit Ironie. Wie Biobauer Janou, der seinen Imbiss mit einem knallroten Banner bewirbt: „Le fin du monde c’est ici – der Weltuntergang ist hier“.
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An diesem Sonntag ist der Parkplatz vor dem Café „Relais de Bugarach“ stark frequentiert. Neuerdings kommen Leute, die Bugarach früher links liegen ließen. Wie der Übersetzer Thomas Lange, den es mit seiner Familie vor zwölf Jahren von Essen-Holsterhausen nach Argelès in der Nähe von Perpignan verschlug. „Wir sind neugierig gewesen“, gestehen die Sonntagsausflügler, die den Untergangsrummel natürlich für großen Schabernack halten. Thomas Lange blickt kopfschüttelnd auf den „Pic“ und sagt: „Mensch, das ist wirklich ein Deppendorf mit einem Deppenberg.“ Obwohl Lange und seine Familie jetzt keinen einzigen Untergangs-Freak entdeckt haben, sind sie trotzdem nicht enttäuscht. Sie wollen bereits im Frühling zurückkehren: „Das Dorf ist eine Reise wert.“