Essen. Mit „Racheengel“ setzt Arte am Freitag seine Krimireihe „Spuren des Bösen“ fort. Heino Ferch spielt darin einen Polizisten, der in die Fänge eines Geiselnehmers gerät. Es entwickelt sich eine leise, unfassbar elende Geschichte, eine packende Tragödie griechischen Ausmaßes - in der Ferch glänzt.
Ein Profi von der Polizei gerät durch Zufall in Geiselhaft. Er ist einer unter vielen. Nicht einmal der Täter weiß, welchen Zwölfender er da mit seiner Waffe bedroht… Man darf diese Konstruktion geläufig nennen, Hollywood kennt sie ebenso gut wie deutsche Vorabendkost.
Und doch steht das Entrée von „Racheengel“ (Arte, Freitag, 20.15 Uhr) weder dem einen noch dem anderen Extrem sonderlich nah. Wie im Verlauf dieser leisen, zugleich unfassbar elenden Geschichte aus dem österreichischen Großbürgertum die Wucht der Dialoge ins Zentrum rückt, wie Nahaufnahmen in aller Schonungslosigkeit die Figuren sezieren, das lässt an ein ganz anderes Vorbild denken: an die menschenbildnerische Kunst des französischen Films.
Um es gleich zu sagen: Dieser zweite Teil der Krimi-Reihe „Spuren des Bösen“ wird das Gros des Publikums vermutlich irritieren. Andreas Prochaskas Regie wechselt nach dem druckvollen Geisel-Einstieg, der im Selbstmord des Täters gipfelt, in ein für deutsche Fernsehverhältnisse ungewohnt elegisches Erzähltempo. Nicht, dass es der Geschichte schaden würde. Dass Buch und Bilder in fast beiläufiger Weise monströse Verwerfungen dokumentieren, zeitigt eine bannende Fallhöhe.
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Eine Tragödie antiken Ausmaßes
Als mutmaßlicher Sammler kinderpornografischer Bilder wird der Geiselnehmer Sebastian Ulmer gejagt. Verhörexperte Richard Brock (Heino Ferch) ist Zeuge von Sebastians Verzweiflungstat: Der Mann, Spross einer hoch angesehenen Familie, nimmt sich das Leben, ehe die Ermittler ihn befragen können.
Dass nicht in diesem Fall so ist, wie es scheint, wird auch nur halbwegs versierten Krimifreunden rasch klar. Aber das schmälert die Kraft dieses auch in seinen schauspielerischen Mitteln extrem reduziert zu Werke gehenden Films keineswegs. Sah man Heino Ferch je so asketisch (und eindringlich) einen Charakter bilden? Ursula Strauss und Hannelore Elsner erspielen sich als Schwester und Mutter des Toten eindringlich die Qual der Blutsbande. Selbst ein Friedrich von Thun, dessen onkelhafte Adelsjovialität so oft unangenehm auffällt, dringt als Vater Ulmer zur schaurig-stillen Studie eines Patriarchats auf tönernen Füßen vor.
Wer sich einlässt auf diesen Strom der Schuld, den eine sacht patinierte Optik (glänzend, die Kamera David Slamas) und Matthias Webers beklemmende Musik speisen, wird belohnt. Zur Aufführung kommt: eine Tragödie antiken Ausmaßes. Lange hat das Unterhaltungsfernsehen nicht so packend minimalistisch vom Fluch erzählt, eine Familie zu sein.