Berlin. Nach dem tödlichen Brand in einer Behindertenwerkstatt in Titisee-Neustadt steht die Schwarzwald-Gemeinde unter Schock. Während die Suche nach der Ursache des Feuers auf Hochtouren läuft, warnt ein Behindertenverband: Bei Rettungskonzepten für Gebäude werde zu wenig Rücksicht auf behinderte Menschen genommen.

Der tödliche Brand in einer Behindertenwerkstatt in Titisee-Neustadt im Schwarzwald hat eine Diskussion über die Sicherheit von behinderten Menschen ausgelöst. In Deutschland mangelt es in Einrichtungen Experten zufolge an behindertengerechten Rettungskonzepten. "In jedem Theater, in jedem Kino, in fast jedem Gebäude ist es so, dass die Rettung von Menschen mit Behinderung, insbesondere von Rollstuhlfahrern oder von gehbehinderten Menschen, schwierig und im Grunde genommen nicht geregelt ist", sagte der Vorsitzende des Allgemeinen Behindertenverbands in Deutschland (ABiD), Ilja Seifert.

Im Bereich der Flucht- und Rettungswege gebe es noch großen Handlungsbedarf. "Baulich wird zwar oft darauf geachtet, dass Menschen mit Behinderung in ein Gebäude hineinkommen, aber selten wird darauf geachtet, dass sie in Notfällen auch wieder hinauskommen", fügte der behindertenpolitische Sprecher der Linken hinzu.

Ursache für Brandkatastrophe noch unklar

Die Behinderten, die die Brandkatastrophe in der Behindertenwerkstatt in Titisee-Neustadt überlebt haben, müssen Seifert zufolge nun eine spezielle psychologische Betreuung erhalten. "Dort werden jetzt Psychologen gebraucht, die sich in die Psyche von Menschen mit Behinderung hineinversetzen können."

Titisee-Neustadt steht derweil unter Schock. Für Samstag sei ein Gedenkgottesdienst im örtlichen Münster Sankt Jakobus geplant, teilte das Büro des Bürgermeisters am Dienstag mit. Die Ursache für die Brandkatastrophe, bei der 13 Behinderte und eine Betreuerin starben, blieb zunächst weiter unklar.

Todesopfer identifiziert

Die Todesopfer wurden bis zum Dienstagvormittag identifiziert. Bei ihnen handelt es sich laut Freiburger Polizei um eine 50-jährige Betreuerin der Caritas-Werkstatt, zehn behinderte Mitarbeiterinnen im Alter von 28 bis 68 Jahren sowie drei behinderte Mitarbeiter zwischen 45 und 68 Jahre. Außerdem wurden bei dem Feuer am Montag neun Menschen verletzt. Es war eine der schwersten Brandkatastrophen der vergangenen Jahrzehnte in Deutschland.

Die Polizei richtete eine Sonderkommission ein, um die Ursache des Feuers zu klären. "Die Brandermittler der Kriminalpolizei, die Spurensicherung und Sachverständige waren in der Nacht vor Ort", sagte ein Sprecher der Freiburger Polizei. Am späten Dienstagnachmittag wollten die Ermittler auf einer Pressekonferenz über den Stand der Dinge informieren.

Papst schickt Beileidstelegramm

Die Brandkatastrophe löste weit über die Region hinaus Trauer und Entsetzen aus. Papst Benedikt XVI. schickte nach Angaben des Freiburger Erzbistums ein Beileidstelegramm. "Papst Benedikt XVI. gedenkt der bei diesem tragischen Unfall ums Leben gekommenen Menschen in seinem Gebet und versichert den Angehörigen der Opfer seine tief empfundene Anteilnahme", heißt es darin. Das Bistum richtete am Dienstag darüber hinaus ein Trauerportal im Internet ein. In Titisee-Neustadt wurde laut Stadtverwaltung ein Weihnachtsmarkt abgesagt.

Nach ersten Angaben der Polizei von Montag war das Feuer möglicherweise in einem Lagerraum ausgebrochen, in dem auch Chemikalien gelagert wurden. In der Werkstatt führen die Behinderten unter anderem Holz- und Metallarbeiten aus.

Rauch breitete sich blitzschnell im Gebäude aus

Nach dem Brandausbruch hatte sich nach Angaben der Feuerwehr dichter Rauch sehr schnell in dem Gebäude ausgebreitet. Die meisten Opfer starben demnach, weil sie den hochgiftigen Qualm einatmeten. Bei den Rettungsarbeiten am Montag wurden der Feuerwehr zufolge auch zwei Einsatzkräfte durch Rauch leicht verletzt. Sie verbrachten die Nacht zur Beobachtung in einem Krankenhaus. Insgesamt waren rund 300 Retter im Einsatz.

Die psychologische Betreuung von Angehörigen und Einsatzkräften ging auch am Dienstag weiter, wie der Kommandant der Freiwilligen Feuerwehr von Titisee-Neustadt, Gotthard Benitz mitteilte. Nach dem Unglück waren 25 Seelsorgerteams entsandt worden.

Brandschutz in der Behindertenwerkstatt wurde regelmäßig geprüft

Ungenügende Sicherheitsstandards schloss Benitz aus Sicht der Feuerwehr aus. "Wir haben keine Erkenntnisse, dass es irgendwelche Mängel gegeben hat beim vorhandenen Brandschutz", sagte er der Nachrichtenagentur AFP. Die Feuerwehr sei auf Einsätze in dem Objekt vorbereitet gewesen und habe dort regelmäßig trainiert, zuletzt im vergangenen Jahr.

In der Werkstatt hielten sich dem Betreiber zufolge zum Unglückszeitpunkt bis zu 60 Menschen auf. Die Toten seien ausschließlich im mittleren Geschoss gefunden worden, wo auch der Brand ausgebrochen sei, sagte Benitz. Treppenhäuser seien rauchfrei geblieben, so dass Menschen aus den anderen Etagen noch hätten flüchten können. (afp)