Washington. . Der Sex-Skandal um den hoch dekorierten US-Geheimdienst-Chef David Petraeus schockiert Amerika. Hollywood will die Affäre verfilmen, für die Besetzung der Hauptrollen gibt es bereits Vorschläge. Doch die Affäre mit vielen Fragezeichen ist auch für Präsident Obama unangenehm.

Hollywood reagierte wieder am schnellsten. Während sich vor den Augen der erstaunten amerikanischen Öffentlichkeit scheibchenweise der saftigste Skandal in der Grauzone zwischen Geheimdiensten, Weißem Haus, Militär, Prominenz und außerehelichem Sex seit Bill Clintons Lewinsky-Affäre entfaltet, denkt die Traumfabrik schon an Besetzungslisten für die filmische Verwertung. Vorläufiger Stand: „Al Pacino würde schon von der Körpergröße her am besten in die Schuhe von David Petraeus passen“, finden Blogger aus der Film-Szene. Bei Paula Broadwell liegt Demi Moore gut im Rennen.

Schnitt.

Bevor das Drehbuch für diesen von Verrat und Intrigen geprägten Reality-Krimi geschrieben werden kann, sind im wahren Leben noch Dutzende Fragen zu beantworten. Bisher weiß man im Kern aus den beinahe deckungsgleich berichtenden Hauptquellen „Washington Post“, „New York Times“ und „Wall Street Journal“ nur dies: Eine lebende Legende, 1,74 Meter klein, pensionierter Vier-Sterne-General, dekorierter Vordenker der Militärstrategien Amerikas im Irak wie in Afghanistan, Träger des deutschen Bundesverdienstkreuzes, potenzieller US-Präsidentschaftskandidat, im 38. Jahr prinzipienfester Ehemann von Holly, Vater zweier Kinder und zuletzt Chef des Auslandsgeheimdienstes CIA -- David Petraeus eben -- hat unmittelbar nach seinem 60. Geburtstag und unmittelbar nach der Wiederwahl von Präsident Obama seinen Rücktritt eingereicht. Der Grund ist sie: Paula Broadwell, gerade 40 geworden, Absolventin der Militär-Eliteschmiede Westpoint und Doktorandin der Universität Harvard, Triathletin, Fotomodell für einen Waffenhersteller, Typ Überflieger, sehr durchtrainiert. Und sehr attraktiv.

Affäre kam nur durch einen Zufall ans Licht

Dass sich die Wege der beiden Ausdauer-Fanatiker gekreuzt hatten, war spätestens seit Jahresanfang kein Geheimnis. Im Januar zog Broadwell mit dem Resultat ihrer monatelang in Afghanistan und andernorts gepflegten Interview-Bekanntschaft zu dem charismatischen Kriegsherrn - einer durch und durch Bewunderung atmenden Biographie über David Petraeus - durch Fernsehstudios und Feuilletons. Dass die zweifache Mutter aus North Carolina dem Objekt ihrer Neugier so nahe kam, dass dabei die unausgelastete Libido des asketisch lebenden Militärs geweckt wurde und zwischen Sommer und Herbst 2011 eine Liebschaft ihren Lauf nahm, kam offenbar nur durch einen Zufall ans Licht.

Jill K., eine 37-jährige Verbindungsbeamtin des Außenministeriums bei einer Armee-Kommandozentrale in Tampa/Florida und gut mit Petraeus bekannt, wandte sich im Frühjahr dieses Jahres offenbar aus Eifersucht an das US-Bundeskriminalamt FBI, weil sie sich durch „stutenbissige“ E-Mails von Paula Broadwell bedrohte fühlte. Die Beamten gingen an die Arbeit, verschafften sich Zutritt zu diversen E-Mail-Konten und stießen - schockschwere Not - auf den Namen Petraeus und „Hunderte Mails“ (Wall Street Journals), die zweifelsfrei belegten, dass Amerikas erster Spion fremd gegangen ist. Und auch, nachdem seine Gespielin Schluss gemacht hatte, vor Liebestollheit nicht ein noch aus wusste.

Liebespaar erfuhr erst vor zwei Wochen von den Ermittlungen

Schwerer Verstoß gegen die Berufsordnung von Top-Geheimnisträgern. „Sie können dadurch erpressbar werden und zum Risiko für die nationale Sicherheit“, sagt der Geheimdienst-Experte Ronald Kessler. Weil es sich um den Chef der dem FBI in langjähriger Rivalität verbundenen CIA handelt, wurde jeder weitere Schritt sorgsam abgewogen. „Das war Neuland für uns“, berichtete ein anonym zitierter FBI-Mitarbeiter der „Washington Post“. Erste Befürchtungen, Petraeus’ E-Mail-Konten seien von dritter Seite geknackt worden, bestätigten sind nicht. Geheime Dokumente, die Broadwell auf ihrem Rechner hatte, stammten nicht von ihm. Was im Kern blieb, war die menschliche Fehlbarkeit von „King David“ (Petraeus’ Spitzname), der sich schon mehrere CIA-Bosse (folgenlos) schuldig gemacht hatten, Sie blieb monatelang unter der Decke. Vor zwei Wochen, warum erst dann, wird noch zu klären sein dann, setzte das FBI das ungleiche Ex-Liebespaar ins Bild.

Weißes Haus wurde am Abend der Wahl informiert

Am Abend der Präsidentenwahl am 6. November weihte das FBI den Geheimdienstkoordinator des Weißen Hauses, James Clapper, ein. Der drängte Petraeus zum Rücktritt. Am Donnerstag offenbarte sich der erst vor 14 Monaten an der CIA-Spitze installierte Hobby-Langläufer Obama persönlich, nannte sein Verhalten „untragbar“ und bat um Entlassung. Nach einer Nacht Bedenkzeit entsprach der Präsident dem Wunsch. Ende. Ende? Die Art und Weise, in der Ober-Spion Petraeus ausgeschnüffelt wurde, die zeitliche Nähe zur Präsidentenwahl,, die andere Frau und die Tatsache, dass gegen Vorschriften verstoßen wurde, den Kongresses rechtzeitig zu unterrichten, nährt allerorten Zweifel. „Es gib eine Geschichte hinter der Geschichte“, sagt stellvertretend für viele der CNN-Geheimdienstexperte Robert Baer.

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Nur welche? Der Vermutung, dass Petraeus eine Anhörung zum möglichen Versagen der CIA bei den tödlichen Anschlägen auf das US-Konsulat im libyschen Bengasi erspart bleiben sollte, wird aus dem Inneren des Regierungsapparates heftig widersprochen. Dass die Personalie „über den Wahltermin gerettet wurde, um Obama nicht zu schaden“, ist für den regierungskritischen Sender Fox bereits ausgemacht. Petraeus wie Broadwell sind abgetaucht. Am Mittwoch gibt Präsident Obama seine erste Presse-Konferenz nach der Wahl. Er will darüber sprechen, wie es weitergeht mit Amerika. Es wird befürchtet, dass Journalisten ihn nach Al Pacino fragen.