Berlin. . Seit rund einem Jahr ist MDR-Intendantin Karola Wille im Amt. Sie hat den Auftritt des Senders stark verjüngt. Dennoch will Wille das Stammpublikum nicht verlieren. Kein einfaches Unterfangen.
Die MDR-Intendantin Karola Wille hat ihr erstes Amtsjahr zur deutlichen Modernisierung des Fernsehprogramms genutzt. Bei den Neuerungen wolle sie das Stammpublikum des Senders nicht verlieren. sagte die 53-Jährige im Interview mit der Nachrichtenagentur dapd. Am 1. November 2011 trat sie das Amt als Intendantin an. Seither wurden zwei junge "Tatort"-Teams engagiert, eine Volksmusik-Show abgesetzt, die Moderatorinnen Madeleine Wehle und Inka Bause mehr beschäftigt und die "Polizeiruf-110"-Kommissare Schmücke und Schneider (Jaecki Schwarz und Wolfgang Winkler) in Halle in den Ruhestand geschickt.
Neue Folgen des Überraschungserfolgs "Weißensee"
Zu den Plänen für den neuen "Polizeiruf 110" sagte Wille: "Wir ziehen mit der Sendung von Halle nach Magdeburg um und werden sicher sehr zeitnah auch eine Entscheidung treffen, wie dieser 'Polizeiruf' aussehen wird." Profiliert hat sich der MDR mit der allseits gelobten Bestsellerverfilmung "Der Turm" im Ersten Programm der ARD. Dazu erklärte Wille: "Den 'Turm' muss man einreihen in das Thema Geschichtsbewältigung, differenzierte Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit. Ich denke, dass der Mitteldeutsche Rundfunk da ein großes Maß an Kompetenz mitbringt und dass nach 20 Jahren auch die Zeit reif ist, genau die Tiefe, die den 'Turm' kennzeichnet, im Fernsehen zu zeigen." Das nächste Großprojekt dieser Art stehe schon an: "2013 zeigen wir sechs neue Folgen des Überraschungserfolgs 'Weissensee'."
Fokus auf Ost-Themen
Der MDR will seine Auslandsberichterstattung auf die östlichen Nachbarstaaten fokussieren: "Ich denke, dass wir als Dreiländeranstalt in dieser Region, die von den Umbrucherfahrungen der Wende geprägt ist, eine starke publizistische Relevanz gerade für Ost-Themen haben." Ab Januar stehen dafür zwei Wochenend-Sendeplätze im Fernsehen zur Verfügung, auch im Hörfunk werden Schwerpunkte gesetzt und im Internet mit einer eigenständigen Plattform "Heute im Osten".
Betrugsskandal beim Ki.Ka noch nicht aufgearbeitet
Wille engagiert sich auch für das Projekt eines trimedialen Jugendkanals von ARD und ZDF, das möglicherweise den Digitalkanal Eins Plus ersetzen würde. Inzwischen fand ein Gespräch zwischen Spitzenvertretern der Sender und den Ministerpräsidenten Kurt Beck (SPD) und Stanislaw Tillich (CDU) statt. Beck und Tillich hatten die Zahl der Digitalkanäle von ARD und ZDF infrage gestellt. Wille sagte: "Die Politik hat uns ermutigt, die Gespräche untereinander - sprich: ARD und ZDF - weiterzuführen." Die Turbulenzen um die Finanzaffäre des früheren Unterhaltungschefs Udo Foht und um den Betrugsskandal beim Kinderkanal von ARD und ZDF in Erfurt unter Federführung des MDR haben sich inzwischen etwas beruhigt. Wille betonte aber, die Aufarbeitung - vor allem die strafrechtliche - sei noch nicht abgeschlossen. "Wir nutzen zudem alle juristischen Möglichkeiten, die es gibt, um den Schaden wiedergutzumachen", erklärte die Intendantin. Der wegen Untreue und Bestechlichkeit zu sechs Jahren Gefängnis verurteilte ehemalige Herstellungsleiter des Ki.Ka hatte über Jahre hinweg mit Hilfe von Komplizen Geldsummen veruntreut. Gegen ihn und sieben weitere Beschuldigte laufen immer noch Ermittlungen. Der Schaden beläuft sich nach MDR-Angaben auf 8,9 Millionen Euro. Rund eine Million Euro bekommen die Sender von der Versicherung ersetzt.
Sechsstellige Summe zur Schadensreduzierung
"Wir gehen davon aus, dass über die Vertrauensschadenversicherung hinaus eine deutlich sechsstellige Summe zur Schadensreduzierung zusammenkommen wird", sagte die Intendantin. Abgeschlossen seien inzwischen Strukturfragen zur Sicherung der Funktionstrennung und des Vier-Augen-Prinzips. Wille war Juristische Direktorin des MDR, als sie sich 2011 um die Wahl des Intendanten bewarb. Der Verwaltungsrat zog zunächst den Journalisten Bernd Hilder vor, der jedoch bei der Wahl im Rundfunkrat durchfiel. Im zweiten Anlauf stellte der Verwaltungsrat Wille einstimmig auf, der Rundfunkrat wählte sie am 23. Oktober 2011 mit 32 von 39 Stimmen zur Nachfolgerin des Gründungsintendanten Udo Reiter. (dapd)