Essen. . In einer EU-weiten Groß-Razzia gegen illegale Prostitution hat die Polizei auch in NRW mehrere Bars und Bordelle durchsucht. Ziel ist ein Netz westafrikanischer Zuhälter, die Frauen zur Prostitution zwingen und dazu auch auf Manipulation durch Voodoo-Zauber setzen.

Am späten Donnerstag ist vor Deutschlands Rotlicht-Vierteln eine konzentrierte Blaulicht-Armada aufgefahren. Wie zeitgleich in neun weiteren EU-Staaten haben Bundeskriminalamt und Länderpolizeien in Bars und Bordellen gezielt nach verschleppten jungen Frauen aus Westafrika gefahndet. In NRW waren Razzien in Dortmund, Bochum, Essen, Wuppertal und Köln. Bundesweit wurden 160 Prostituierte angetroffen. Die Überprüfungen der Personalien läuft derzeit noch. Parallel hat die Bundespolizei die Flughäfen „dichtgemacht“ und Einreisende überprüft.

Das Bundeskriminalamt hat am Freitag eine erste Bilanz gezogen: „Die Ermittlungen zeigen, dass ein Netz von westafrikanischen Zuhältern, eingeschleusten Prostituierten, Geldwäschern, Passverleihern, Dokumentenfälschern und Schleusern existiert“.

Frauen mit Voodoo unter Druck gesetzt

Die Frauen aus Westafrika werden meist nicht durch direkte Gewalt zur Prostitution gezwungen, sondern unter psychischen Druck gesetzt. Die Schlepper versprechen entweder ein gutes Leben in Deutschland oder nutzen den Vodoo-Kult: Vor der Abreise lassen Priester die Frauen an Altären der Naturreligion schwören, den Betreuern in Deutschland Gehorsam zu leisten. Ein Bruch des Schwurs werde Wahnsinn, Krankheit oder den Tod zur Folge haben. Hier angekommen, landen sie schnell im Bordell und müssen dort zunächst die „Reisekosten“ abarbeiten. Die Zuhälter sind übrigens weiblich – „Madames“, denen die Prostituierten die Einnahmen abliefern müssen.

Eine große Rolle bei der Einhaltung der Disziplin spielen kultische Gegenstände und Rituale. Wie diese ablaufen, zeigt ein Beispiel des Landeskriminalmtes Nordrhein-Westfalen aus dem Jahr 2009. Auf dem Bonner Straßenstrich fanden die Fahnder eine 20-jährige Frau aus Nigeria, die nach eigenen Angaben noch in der Heimat in einen Vodoo-Schrein gebracht worden war. Sie musste dort schwören, 50 000 Euro in Deutschland abzuarbeiten, die „Madame“ nie zu verraten und ihr nie wegzulaufen. Während des Schwurs musste sie eine afrikanische Nuss und ein Hühnerherz essen und eine Flüssigkeit trinken. Danach hatte sie den Slip, Finger- und Fußnägel sowie eine Haarsträhne abzugeben. Sie werde zur „Pennerin“ oder sterben, wenn sie diesen Schwur breche, wurde ihr klargemacht.

Mehrheit der illegalen Prostituierten stammt aus Ost-Europa

Die Vernehmung durch die Polizei hat die 29-jährige zwar abgebrochen. Dennoch wurde damals „Madame“ ermittelt und wegen schweren Menschenhandels zu zwei Jahren auf Bewährung verurteilt. Die Sicherheitsbehörden glauben, dass „Madames“ oft in Scheinehen mit Deutschen leben.

Bordell von innen

Die Betreiber eines Bordells an der Flasshofstraße in Oberhausen laden  zu einer Besichtigung ein.Foto: Gerd Wallhorn/WAZ FotoPool
Die Betreiber eines Bordells an der Flasshofstraße in Oberhausen laden zu einer Besichtigung ein.Foto: Gerd Wallhorn/WAZ FotoPool © WAZ FotoPool
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Aus Westafrika kommen aber insgesamt nur zwischen sechs und zehn Prozent der Opfer von Menschenhandel. Die meisten stammen aus Osteuropa. Bei ihnen wenden Zuhälterbanden stärker direkte Gewalt und auch massiven psychischen und finanziellen Druck an, um vor allem Rumäninnen und Bulgarinnen illegal auf den Strich zu schicken. Die Mehrzahl der Opfer ist unter 21 Jahre alt. NRW und hier das Ruhrgebiet sind auch im bundesweiten Vergleich zu Schwerpunkten sexueller Ausbeutung von Frauen geworden.

Im „Lagebericht Menschenhandel“ räumt das Bundeskriminalamt große Schwierigkeiten ein, die Ermittlungen gegen die Täter voranzutreiben. Viele Fälle nicht angemeldeter Prostitution bleiben ungeahndet, weil die Frauen keine belastenden Aussagen über ihre Zuhälter machen, die vielfach ebenfalls aus Osteuropa kommen. „Im Ausland möglicherweise bestehende Täterstrukturen“ seien oft „nicht ermittelt“ worden, heißt es im Report.

BKA sieht in NRW Schwerpunkt der illegalen Zuhälterei

Die Zahl der ermittelten Prostitutions-Opfer ist 2011 dennoch gestiegen. Bundesweit wurden 640 gefunden, fünf Prozent mehr als im Vorjahr. Ein Viertel von ihnen kam aus Rumänien, 15,3 Prozent aus Bulgarien. Deutsche Opfer waren erstmals in der Minderheit.

Nur noch etwas mehr als ein Viertel der Frauen, die 2011 von der Polizei erfasst wurden, sagen, dass sie sich freiwillig prostituiert haben. 2010 gaben das 36 Prozent an. Ein weiteres Drittel wurde offenbar über Täuschung in die Prostitution gelockt. Während 2010 elf Prozent der befragten Opfer von direkter Gewalt berichteten, war es 2011 schon fast jedes fünfte.

Das BKA sieht in Nordrhein-Westfalen einen Schwerpunkt der illegalen Zuhälterei. Von den 2011 bundesweit in dem Zusammenhang geführten 482 Ermittlungsverfahren sind 98 aus NRW gemeldet. Das Land liegt damit mit weitem Abstand vor den sonst mit hoher Kriminalität belasteten Stadtstaaten Berlin mit 76 Verfahren und Hamburg mit 50.

In seinem eigenen Lagebericht nennt das Landeskriminalamt NRW regionale Schwerpunkte. Gegenüber 2010 ist die Zahl der Ermittlungsverfahren in Düsseldorf und Duisburg jeweils von sechs auf acht, in Essen von zwei auf sieben, in Gelsenkirchen von vier auf fünf, in Bochum von drei auf vier gestiegen. Während sie in Recklinghausen anstieg, meldet Dortmund einen deutlichen Rückgang von elf Verfahren auf jetzt sieben.