Den Haag. Er sei ein “milder Mann, ein toleranter Mann“, sagte der frühere bosnische Serbenführer Karadzic vor dem Kriegsverbrechertribunal. Seine Aussage wurde von den Zuschauerrängen stark kritisiert. Karadzic muss sich in Den Haag unter anderem wegen Völkermords verantworten.
Der frühere bosnische Serbenführer Radovan Karadzic hat sich in einer Anhörung vor dem Kriegsverbrechertribunal in Den Haag als Unschuldslamm präsentiert. Er sei "ein milder Mann, ein toleranter Mann", sagte der 67-Jährige am Dienstag zu Beginn seiner Verteidigung. Im Bosnien-Krieg von 1992 bis 1995 habe er sich bemüht, Kämpfe zu verhindern und die Zahl der Toten gering zu halten. Von den Zuschauerrängen erntete er für seine Aussagen verächtliches Schnauben und Zwischenrufe wie "Er lügt! Er lügt!".
Auch die Staatsanwaltschaft des UN-Gerichts hat in den vergangenen Jahren ein gänzlich anderes Bild der Rolle Karadzics gezeichnet. Seit Oktober 2009 muss sich der bosnische Serbe in Den Haag unter anderem wegen Völkermords verantworten. Im Bosnien-Krieg, in dem nach Schätzungen etwa 100.000 Menschen getötet wurden, soll er einer treibenden Kräfte hinter den grausamsten Ereignissen gewesen sein - bis hin zum Massenmord von Srebrenica, dem etwa 8000 muslimische Männer und Jungen zum Opfer fielen.
Karadzic droht lebenslange Haft
"Anstatt mich wegen der Ereignisse während des Krieges anzuklagen, sollte man mich für die guten Dinge, die ich getan habe, belohnen", sagte Karadzic am Dienstag in seiner 90-minütigen Rede über einen Dolmetscher. Bezüglich zweier blutiger Angriffe auf die Stadt Sarajevo warf er seinen einstigen Kriegsgegnern vor, sie inszeniert zu haben, um die Serben in den Augen der Welt zu diskreditieren.
Gemeinsam mit dem ehemaligen bosnisch-serbischen Militärchef Ratko Mladic gilt Karadzic als Hauptverantwortlicher für die Verbrechen während des Bosnienkriegs. Im Falle einer Verurteilung droht ihm lebenslange Haft.
Zeitgleicher Auftakt im Prozess gegen Hadzic
In einem anderen Gerichtssaal des Internationalen Gerichtshofs für das ehemalige Jugoslawien musste sich am Dienstag unterdessen der mutmaßliche Kriegsverbrecher Goran Hadzic verantworten - damit begann der Prozess gegen den letzten der 161 Angeklagten vor dem UN-Tribunal.
Der frühere kroatisch-serbische Rebellenführer wird für den Mord an Hunderten kroatischen Zivilpersonen und die gewaltsame Vertreibung von rund 28.000 Menschen während des Kroatienkriegs verantwortlich gemacht. Hadzic wurde nach sieben Jahren auf der Flucht im Sommer 2011 im Norden Serbiens verhaftet. (ap)