München. . Der verstorbene Sportreporter konnte mehr als Fußball. Er kannte sich in nahezu jeder Sportart aus. Außerdem pflegte Harry Valérien eine Tugend, die heute im Fernsehen selten geworden ist. Eine Würdigung.

„Wosamma? Dosamma“, tönte es zuweilen aus dem Lautsprecher neben dem Bildschirm, wenn Harry Valérien im gelben Wollpullover mal wieder herauszufinden versuchte, in welche Kamera er im „Aktuellen Sportstudio“ blicken musste. Von diesem bayerisch gefärbten Ton und dem leicht verschleppten Tempo, das uns mit seiner Gemütlichkeit am Samstagabend so oft das Kaminfeuer im Wohnzimmer ersetzte, durfte man sich nicht täuschen lassen: Hinter der entspannten Fassade war ein hellwacher Verstand am Werk, ein engagierter Reporter, wie man ihn im Fernsehen so nicht oft erlebt.

Mehr als acht Jahrzehnte schlug Harry Valériens Herz für den Sport – seit Freitagabend steht es still. Es blieb einfach stehen, und er schlief friedlich ein auf einer Rückfahrt zu seinem Alterssitz am Starnberger See. Er kam von einem Treffen mit ehemaligen Kollegen und Skirennläufern. Seine Frau Randi saß mit im Auto, auch seine Tochter Tanja und ihr Mann, der Bergsteiger Stefan Glowacz. Ein Tod mit 88, wenn man das sagen darf, wie man ihn sich wünscht: schmerzlos im Kreis der Liebsten.

Natürlich haben ihn am Wochenende besonders die alten Kollegen gewürdigt, Dieter Kürten vor allem, selbst 77 mittlerweile und mit Valérien noch im Schwarz-Weiß-Fernsehen groß geworden. Oder Günther Jauch, der vor rund 25 Jahren Valériens Nachfolger im Sportstudio wurde. Auch Sportasse wie Skistar Markus Wasmeier, der den Journalisten „geradezu väterlich“ fand, oder Franz Beckenbauer, der 1965 auf seinen 20. Geburtstag mit Valérien im Sportstudio anstieß und seither vermutlich 100-mal von ihm befragt wurde.

Warmherziger Mensch mit feinen Humor

Aber es waren nicht nur die pflichtschuldigen Beileidsbekundungen, wonach ein außergewöhnlicher Sportjournalist mit großen Fachkenntnissen und handwerklicher Qualität gestorben sei. Stets war die Sympathie zu greifen für den warmherzigen Menschen mit seinem feinen Humor. Einen, der -- „Sappradi!“ -- mitfieberte auf den Skipisten und Golfplätzen, in den Leichtathletik-Arenen und Schwimmhallen dieser Welt. Einen mit Urteilskraft, der wusste, wovon er sprach, nicht nur weil er selbst ein glänzender Skiläufer war.

Auch interessant

Gewiss, manchmal schien die Distanz zu denen, die er interviewte, gefährlich zu schrumpfen. Doch Valérien schaffte seinen Gesprächspartnern erst die Wohlfühl­atmosphäre, um sie aufzulockern, und fragte dann hartnäckig nach. Wer ihn für einen charmanten Weichspüler hielt, ließ außer Acht, dass es Valérien war, der das Thema Doping im Sportstudio etablierte, als die Verantwortlichen beim ZDF noch die Nase rümpften.

Väterlicher Ratschlagan Paul Breitner

Aber er hatte eben diese unnachahmliche Art, Kritik so zu verpac­ken, dass man sie ihm nur schwer verübeln konnte. „Sie sollten etwas gelassener werden, darf ich Ihnen das mal sagen“, hielt er einem aufgebrachten Paul Breitner einst entgegen, und es klang wie der Ratschlag eines Vaters, der sich um die Gesundheit seines Sohnes sorgt. Valérien, und das war vielleicht seine größte Stärke, verwechselte Leidenschaft nie mit Aufgeregtheit, so wie all die Kerners dieser Welt. Die Ruhe war Valériens Kraft, man sehnt sie sich im heutigen Fernsehbetrieb geradezu herbei.

Über den „Münchner Merkur“ und den Bayerischen Rundfunk war er zum ZDF gekommen und wurde zum Mitbegründer des „Aktuellen Sportstudios“, durch das er in einem Vierteljahrhundert 283-mal führte. Gut möglich, dass die Bedeutung dieses Fernseh-Evergreens auch wegen der wachsenden Programmmenge der vielen anderen Sender über die Jahre nachgelassen hat.

Aber es liegt auch an den Typen, die die Sendung prägten und prägen. Einen wie Harry Valérien, den findest du nicht mehr.