Essen. . Der Film „Chico & Rita“ erzählt die Geschichte einer unsteten Liebe und ist ebenso ein Rückblick auf die Blütezeit des kubanischen Jazz. Der Animationsfim für Erwachsene, angelehnt an ein klassisches Hollywood-Melodram, war in diesem Jahr für einen Oscar nominiert.

Die Überraschung war groß, als in diesem Jahr bei den Oscar-Nominierungen für den besten Animationsfilm plötzlich die relativ bescheidene spanische Produktion „Chico & Rita“ auftauchte – und ein Gigant wie Steven Spielberg mit seiner „Tim und Struppi“-Verfilmung außen vor blieb. Vielleicht wollten die Juroren einfach mal einen Erwachsenenfilm auch mit Erotik in dieser Kategorie vertreten sehen.

Vielleicht aber war auch das Thema ausschlaggebend. Denn „Chico & Rico“ ist ebenso ein Rückblick auf die Blütezeit des kubanischen Jazz vor Fidel Castro wie auf die frühen goldenen Tage von Las Vegas und ein New York als Zentren der internationalen Jazzszene. Nicht nur Amerikaner mögen solche Art von Nostalgie.

Doch all das ist nur der Hintergrund für eine Liebesgeschichte, die direkt aus einem alten Hollywood-Melodram stammen könnte. Geht es doch um ein eigentlich perfektes Liebespaar aus der oben beschriebenen Musikszene, das sich durch diverse widrige Umstände, aber gewiss auch durch eigene Fehlbarkeit, immer wieder aus den Augen verliert.

„Chico & Rita“ ist nominiert für den Oscar

Erzählt wird der von Fernando Trueba, Javier Mariscal und Tono Errando gemeinsam inszenierte Film in Form einer Rückblende. Der Schuhputzer Chico hört in Havanna plötzlich im Radio eine ihm sehr bekannte Melodie und erinnert sich da raufhin an die Stationen seines Lebens. Der Zuschauer erlebt den Moment, da der begnadete Jazz-Pianist Chico zum ersten Mal die weiche Stimme der schönen Sängerin Rita hört, die er fortan nicht mehr vergessen kann.

Doch schon die erste gemeinsame Nacht endet im Streit, denn am Morgen taucht plötzlich die Freundin des notorischen Casanovas auf. Eigentlich wissen die beiden Vollblutmusiker, dass sie zusammen gehören, aber auch spätere gemeinsame Erfolge können nicht verhindern, dass nie etwas Festes aus dieser Beziehung entsteht.

Während Chico trotzdem Erfolge im Orchester von Woody Herman feiert, kann Rita das Unstete ihrer großen Liebe schlechter verkraften. In Las Vegas schmeißt sie schließlich ein Konzert, als sie betrunken auf der Bühne erscheint.

Man vergisst gelegentlich, dass man in einem Animationsfilm sitzt

Gedreht wurde „Chico & Rita“ in der so genannten Rotoskopie-Technik, bei der Realaufnahmen in Zeichentrickbilder umgewandelt werden. Das hat zur Folge, dass man gelegentlich tatsächlich vergisst, sich in einem Animationsfilm zu befinden. Weniger der Figuren wegen, deren Gesichtszüge ruhig ein wenig beweglicher sein dürften. Mehr schon der Hintergründe wegen, die mit leichter Verfremdung jenes Zeitalter wieder auferstehen lassen, in dem Bebop, Mambo und Jazz eine zentrale Rolle spielten. Vor allem Straßenszenen begeistern durch ihre flüssigen Bewegungsabläufe, Konzert-Kostproben der großen Bigbands durch eine traumhafte Sicherheit in der Synchronität von Ton und Bewegung.

Und da man sich derart an die Form des klassischen Hollywood-Melodrams anlehnt, kann das Ende nicht in Verzweiflung versinken. Der alte Chico, dessen Figur vage an der Biographie des heute 92-jährigen Kubaners Bebo Valdéz ausgerichtet ist, macht sich zu einer späten Recherche auf. Es ist ein letzter Versuch, seine verlorene Liebe doch noch zu finden.