Moskau. Wegen erwarteter Proteste haben Sicherheitskräfte vor der Urteilsverkündung im umstrittenen Prozess gegen die russische Punkband “Pussy Riot“ das Gerichtsgebäude in Moskau abgeriegelt. Die drei Musikerinnen hatten im Februar eine Kirche gestürmt und die Jungfrau Maria um Erlösung von Präsident Wladimir Putin angerufen. Die Anklage fordert drei Jahre Haft.

Im umstrittenen Prozess gegen die Kreml-kritische russische Punkband Pussy Riot soll am heutigen Freitag ab 13 Uhr das Urteil gesprochen werden. Schon Stunden vor der Urteilsverkündung hat die Moskauer Polizei die Sicherheitsvorkehrungen erhöht. Spezialkräfte riegelten am Freitagmorgen das Gebäude des Chamowniki-Gerichts im Zentrum Moskaus mit Metallbarrieren ab, wie die Nachrichtenagentur Interfax berichtete.

Demnach fuhren rund ein Dutzend Polizeifahrzeuge vor. Die Sicherheitskräfte erwarten Proteste gegen die mögliche Verurteilung der drei jungen Musikerinnen im Alter von 22, 24 und 30 Jahren. Sie sind wegen "Rowdytums aus religiösem Hass" angeklagt, weil sie im Februar in einer spektakulären Aktion in der Moskauer Christ-Erlöser-Kathedrale ein sogenanntes Punk-Gebet aufgesagt und die Gottesmutter angerufen hatten, Präsident Wladimir Putin zu "verjagen".

Damit wollten sie nach eigenen Angaben gegen die Unterstützung der Regierung durch die orthodoxe Kirche protestieren. Die Staatsanwaltschaft dagegen wirft ihnen "religiösen Hass und Feindseligkeit" vor und fordert drei Jahre Haft. Sie blieb damit unter den Höchststrafe von sieben Jahren. Die Anklage hat international Empörung ausgelöst. Kreml-Kritiker sehen dahinter den Versuch, die Gegner Putins einzuschüchtern.

Menschenrechtsbeauftragter fordert Freispruch

Der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Markus Löning (FDP), fordert einen Freispruch für die Mitglieder von Pussy Riot. "Ich hoffe sehr, dass die drei jungen Frauen auf freien Fuß kommen", sagte er am Freitag im Deutschlandradio.

Die Anklage wegen "Rowdytums" und die anschließende Untersuchungshaft seien "völlig unverhältnismäßig", sagte Löning. Bei der Aktion habe es sich allenfalls um eine Ordnungswidrigkeit gehandelt.

Chodorkowski wirft Putin politische Verfolgung vor

Der inhaftierte russische Oppositionelle Michail Chodorkowski warf Präsident Wladimir Putin vor, die Musikerinnen politisch zu verfolgen. "Das Ziel ist es, Kritikern des Regimes eine Lektion zu erteilen", sagte Chodorkowski der "Süddeutschen Zeitung" in einem Interview, das nach Angaben des Blattes über Monate schriftlich geführt wurde. Das Gericht werde "nur ein Urteil bestätigen, das anderswo aufgeschrieben wurde - in der Staatsanwaltschaft oder irgendeiner anderen Instanz".

Der einst reichste Mann Russlands und Putin-Gegner verbüßt eine mehrjährige Haftstrafe wegen Betrugs, Veruntreuung, Geldwäsche und Öldiebstahls. Chodorkowski, früherer Chef des zerschlagenen Yukos-Ölkonzerns, war in zwei umstrittenen Prozessen verurteilt worden.

Zehntausende Unterschriften gesammelt

Die Online-Petition der Sängerin Peaches zur Unterstützung der russischen Punkband hat in fünf Tagen Zehntausende Unterschriften verzeichnet. Heute wollen die Organisatoren von www.freepussyriot.org parallel zur Urteilsverkündung gegen die drei Frauen vor der russischen Botschaft in Berlin demonstrieren und Peaches' Petition überreichen, wie die zuständige Agentur mitteilte.

In der vergangenen Woche hatte Peaches in Berlin zusammen mit rund 400 Unterstützern das Protestvideo "Free Pussy Riot" gedreht, das unter anderen mit Deichkind, Lykke Li und The Hives produziert wurde. Mehr als 70 Menschen aus der ganzen Welt schickten zudem eigene Clips für das Video. Auch Madonna hatte sich für die Sängerinnen eingesetzt. (rtr/dapd)