London. . Der ehemalige Weltrekordler Sebastian Coe setzt alles dran, damit Olympia 2012 in London ein Erfolg wird. Als Vorsitzender des Londoner Organisations-Komitees für Olympia 2012 soll der Medaillengewinner das Millionenspektakel zum Erfolg führen. Der Schlussspurt hat begonnen.
Egal, ob Weltrekord-Läufer oder Westminster-Politiker – Sebastian Coe hat immer ein zügiges Tempo vorgegeben. Jetzt steht der Sport-Star vor dem größten Rennen seiner Laufbahn: Als Vorsitzender des Londoner Organisations-Komitees für Olympia 2012 soll der Medaillengewinner das Millionenspektakel zum Erfolg führen. Der Schlussspurt hat begonnen.
Eine Espresso-Bar in Stratford tauft sich „Olympic“ und verletzt damit die für Coe so kostbaren Markenrechte der Spiele. Es gibt Ärger, das Café nennt sich jetzt trotzig „Lympic“ – ein Sieg für Coe, aber keiner, der ihn in der Hauptstadt beliebter macht.
Tauschen möchte mit dem 55-Jährigen ohnehin kein anderes Alpha-Tier im Hochleistungslondon: Coe soll die Kritiker des Spektakels überzeugen, das Budget im Zaum halten, Tausende Spitzenathleten reibungslos willkommen heißen, der Stadt ein Erbe an Sportstätten hinterlassen und nebenbei die Welt begeistern. Da kann man nur scheitern. Coe aber will gewinnen, mal wieder.
Der Meister der Leistung
Über Leistung, Potenzial und harte Arbeit könnte er eine Menge erzählen. Drei Weltrekorde ist Coe 1979 als Mittelstreckenläufer innerhalb von 41 Tagen gelaufen. Die 800 Meter hat er 1:41,73 Minuten absolviert. Auf 1500 Metern ist er der Einzige weltweit, der gleich zwei Mal Gold geholt hat. Sein eigentlicher Kampf aber, der hat nicht auf der Tartanbahn stattgefunden.
Coe stammt aus einfachen Verhältnissen, ein Umstand, der seinen ambitionierten Vater nicht einschüchtern sollte. Mit 12 Jahren begann Coe sein Training, mit 23 Jahren lief er erstmals bei den Olympischen Spielen. Dazwischen liegen lange Jahre, in denen der Senior ihm die elegante Schnelle und den Willen zum Sieg antrainieren würde: Er war für seinen Sohn Coach, Sponsor und härtester Kritiker, ein Kriegsveteran, der für seinen scharfen Ton so legendär war wie für die überkorrekte Krawatte, die er selbst noch unter dem Jogginganzug trug.
Als Sprössling von in England verpönten Sozial-Aufsteigern, ein Streber dazu, hatte Sebastian Coe es auch jenseits des Sportplatzes nicht leicht. Er rasselte durch den Eignungstest fürs Gymnasium, wurde gehänselt. „Mit dem Namen Sebastian hatte man in den Siebzigern auf einer städtischen Schule in Sheffield echt ein Problem“, erinnert er sich, „man musste lernen, sich im Griff zu haben.“
Uni-Abschluss in Wirtschaft und Sozialgeschichte
Mittlerweile hat er einen Uni-Abschluss in Wirtschaft und Sozialgeschichte, elf Weltrekorde und vier Olympia-Medaillen gesammelt. Nach Ende seiner Sportler-Karriere wechselte er binnen weniger Tage in die Politik, zog 1992 als Tory-Abgeordneter ins Parlament. Coes Erfolg in Westminster währte jedoch nur kurz: Nach fünf Jahren fiel er dem Labour-Erdrutsch-Sieg zum Opfer. Geblieben ist vor allem die – undementierte – Legende, dass er mit dem Tory-Fraktionschef William Hague, heute Außenminister, Judo in der Mittagspause trainiert hat.
Durchtrainiert, schlank und unkompliziert kommt der 55-Jährige auch heute noch daher. Vier Verdienstorden, der Titel des Barons und das verliehene Amt des Lords im Oberhaus schmücken die Lauflegende aus Sheffield inzwischen. Sein jetziges Amt kommt mit einem Jahresscheck von 400 000 Euro und einem schicken Büro in der Canary Wharf daher. Dort ist er täglich von 7 Uhr bis 24 Uhr als unermüdliches „Gesicht der Olympischen Spiele“ im Einsatz. Nebenher läuft er noch über 20 Meilen pro Woche - zum Spaß.
Genau diese Fähigkeit, nämlich sich zu Höchstleistungen anzutreiben, vermisst Coe bei jüngeren Generationen. Dass das Olympia-Fieber keine breite Sportbegeisterung bei den Briten entfachen wird, darüber macht er sich keine Illusionen. Allerdings fürchtet er, dass sich in Zukunft nicht mehr ausreichend viele, arbeitswillige Sporttalente im Königreich finden lassen. „Viele Jugendliche leben in einer Welt von Reality TV und Casting-Shows“, sagt er, „dort wird genau das Gegenteil einer athletischen Karriere gezeigt: Man wird über Nacht berühmt, statt Jahre hartnäckig an sich zu arbeiten.“ Im Gegensatz zum Celebrity-Kult sei Leistung für viele zutiefst unattraktiv.
Die meiste Kraftbraucht die Zielgerade
Als Grenzgänger zwischen Leistungssport und Wirtschaft vermisst Coe allerdings auch bei Unternehmen die langfristige Perspektive: „Wenn wir ehrlich sind, wissen wir, dass gute Dinge nicht von einer Sekunde auf die nächste passieren. Sie sind fast immer Leistung eines Teams, das sich über Jahre zusammengerauft hat.“ Die meiste Kraft aber braucht die Zielgerade, auf der Coe gerade einläuft. Sein Ziel vor Augen: Die perfekte Olympia-Auftaktveranstaltung am 27. Juli. Danach könnte der Lauf-Lord sich locker als britischer Sportminister in die Startblöcke stellen.
Schick für Olympia