Toulouse. . Ein selbst ernanntes Al-Kaida-Mitglied hat in einer Bank in Toulouse vier Geiseln in seine Gewalt gebracht. Inzwischen wurde der Mann überwältigt. Er soll laut Polizei psychisch krank sein.
Der bewaffnete Mann spaziert in die Bankfiliale auf der Avenue Camille Pujol und nimmt vier Geiseln. Schüsse fallen. Dann lässt er das schlimme Wort fallen, das die Polizei die allerhöchste Alarmstufe ausrufen lässt. „El Kaida“. Der Schrecken sitzt umso tiefer, als der Tatort nur ein paar Hundert Meter von der Wohnung Mohamed Merahs entfernt ist. Jenes islamistischen Amokläufers, der vor drei Monaten sieben Menschen in Toulouse und Montauban kaltblütig tötete, sich zwei Tage lang verschanzte und dann im Feuergefecht ums Leben kam.
Schon wieder Toulouse. Die liebenswürdige südfranzösische Stadt, die sie wegen der rötlichen Backsteinfassaden „ville rose“ nennen, erlebt an diesem Mittwoch ein kollektives „Déjà-vu“: Schon wieder abgesperrte Straßen, schon wieder geräumte Wohnungen, schon wieder eine Hundertschaft der Elite-Eingreiftruppe im Einsatz. Schon wieder Angst.
Verbindung zum Fall Mohamed Merah
Der Täter, der sich nach Polizeiangaben „Bouzama“ nennt, soll die Filiale gegen 10.10 Uhr betreten haben. Er nimmt vier Geiseln, den Filialleiter sowie drei Mitarbeiter, und behauptet dem Terrornetzwerk Osama Bin Ladens anzugehören. Offenbar um sich mit dem „Dschihadisten“ Mohamed Merah auf eine Stufe zu stellen, verlangt er von der Polizei, die Elite-Eingreiftruppe „Raid“ in Marsch zu setzen - dieselbe Spezialeinheit, die im Fall Merah im Einsatz war.
Gegen Mittag trifft jedoch eine Einheit der „GIPN“ aus Marseille ein, ein Spezialkommando, das vor wenigen Tagen die Geiselnahme bei „Météo France“ mit einem Schusswechsel beendete. Im fernen Paris lässt sich der neue Innenminister Manuel Valls in Paris pausenlos über die neue Lage informieren. Je länger das neue Drama von Toulouse dauert, desto größer werden allerdings die Zweifel an der Furcht einflößenden „El-Kaida“-Version. „Warum nimmt er sich eine Bank vor und nicht etwas, was den Staat repräsentiert?“, fragt Cédric Delage, ein Toulouser Polizeigewerkschafter.
Der Nervenkrieg geht in die fünfte Stunde, da atmen die Sicherheitskräfte ein wenig auf. Um 14.35 Uhr lässt er die erste Geisel im Tausch gegen Wasser und Lebensmittel frei, eine Stunde später die zweite Geisel, eine junge Frau. Jetzt befinden sich noch der Filialleiter und ein Mitarbeiter in seiner Gewalt. Dann sickert durch: Die Identität des Tatverdächtigen ist der Polizei jetzt bekannt. Es soll sich um einen 26-Jährigen aus dem benachbarten Département Tarn handeln. Der Mann leidet offenbar an Schizophrenie und wird deshalb seit Längerem in der Psychiatrischen Klinik Gérard-Marchant in Toulouse behandelt. Allerdings soll er die Therapie abgebrochen haben.
Schwester des verdächtigen Geiselnehmers: "Mein Bruder ist wütend"
Die Internetausgabe der Toulouser Regionalzeitung „La Dépêche du Midi“ zitiert am Nachmittag die Schwester des Verdächtigen. Sie wohnt in Toulouse und gibt zu Protokoll: „Mein Bruder ist wütend.“ Sie ist zum Tatort geeilt, um die Verhandlungen der Polizei zu unterstützen. Ihr gelingt es, per Mobiltelefon mit dem Bruder zu sprechen. „Dem Geiselnehmer geht es nicht ums Geld, sondern er handelt aus religiösem Antrieb“, erklärt unterdessen Staatsanwalt Michel Valet. Aus Polizeikreisen verlautet, dass der 26-Jährige in der Filiale der CIC-Bank sehr wohl Geld verlangt habe. Allerdings hätten die Bankmitarbeiter ihn zunächst gar nicht ernst genommen. Daraufhin sei die Situation eskaliert – aus dem Überfall wird ein Geiseldrama. Eines, das fast sieben Stunden dauern wird.
Um kurz vor fünf erschüttern heftige Feuerschläge die Avenue Camille Pujol. Dann atmet Toulouse erleichtert auf. Die Spezialeinheit hat die Filiale gestürmt und den leicht verletzten Geiselnehmer festgenommen. Für die beiden Geiseln endet dieser schreckliche Mittwoch glimpflich. „Sie sind gesund“, gibt die Polizei Entwarnung.