Essen. . Die Einsätze rund um den Fußball kosten jedes Jahr 100 Millionen Euro. Nun wirft die Deutsche Polizeigewerkschaft den Vereinen vor, selbst zu wenig für die Sicherheit in Stadien zu unternehmen. Offenbar helfen einige Vereine ihren gewaltbereiten Fans sogar, ihre Shows samt bengalischen Feuern in den Stadien durchzuziehen.

Sie zerstören Torpfosten und Absperrungen, reißen Rasenstücke vom Spielfeld, zünden giftige, bis zu 2500 Grad heiße Bengalo-Fackeln: Seitdem beim Relegationsspiel Hertha BSC gegen Fortuna Düsseldorf Fans bereits vor Spielende das Feld stürmten, ist die Rolle der sogenannten Ultras und ihre Bedeutung für den Fußball ins Zentrum gerückt. Nun erhebt die Deutsche Polizeigewerkschaft schwere Vorwürfe gegenüber den Vereinen: Sie tolerierten Zerstörung und Gewalt der Fans und ermöglichten sogar, im Stadion die verbotene Pyrotechnik zu lagern. Dies erklärte der stellvertretende Bundesvorsitzende der DPolG, Joachim Lenders, gegenüber der WAZ-Mediengruppe.

Ultras gelten als Vorbild für "vermeintlich guten Fußball"

Es ist erst eine Woche her, dass ein junger Mann mit einem von Freude und Aufregung verzerrten Gesicht noch vor dem Abpfiff in Düsseldorf auf den Rasen rennt und den Elfmeterpunkt herausreißt. Mit ihm stürmen Massen auf das Spielfeld, bei weitem nicht nur Ultras, sondern auch Familien mit Kindern. Feuer flammt auf. Mehr als 20 Minuten dauert es, bis die Stadionordner die Menge wieder hinter die Bande verfrachten.

„Ultragruppierungen sind die treuesten Fans bei Auswärtsspielen. In den heimischen Stadien inszenieren sie mächtige Bilder, die um die Welt gehen", sagt der Sportsoziologe Swen Körner in der Sendung „Frontal 21“. Im Zuge dessen hätten die Vereine ihnen gewisse Rechte eingeräumt, nun könne man beobachten, "dass diese Rechte ausgedehnt und teilweise überschritten werden". Der Kölner Professor plädiert nun dafür, das Spiel zu wiederholen – „das wäre die fairste und auch die beste Lösung in Richtung Signalwirkung für den deutschen Fußball".

Fortuna-Ordnungsdienst wehrt sich gegen Vorwürfe

Die Vereine suchen in der Tat die Kooperation, versuchen den sanften Weg. Entsprechend lasch, so der Vorwurf der Polizeigewerkschaft, werde vor den Stadien kontrolliert. Wolfgang Osinki, Sprecher der Klüh-Gruppe, die den Ordnungsdienst in der Düsseldorfer Esprit-Arena stellt, erklärt dem „Düsseldorfer Express“, warum die Ultras kaum daran gehindert werden können, Bengalos mitzubringen: „Sie sind sehr klein. Und ein gründliches Abtasten von rund 50 000 Zuschauern in dem kurzen Zeitraum vorm Spiel ist einfach nicht möglich. Wenn man absolute Sicherheit will, muss man das Stadion zur Hochsicherheitszone erklären. Und Kontrollen wie auf einem Flughafen machen.“ Der Kölner Sportrechtler Martin Nolte widerspricht im ZDF: Natürlich könnten die Vereine bei Verdacht die Fans per Leibesvisitation kontrollieren und auch auch Stadionverbote aussprechen.

Diese Auffassung vertritt auch Polizeigewerkschafter Lenders: In einem Stadion müsse nicht jeder Familienvater, jedes Kind, jeder harmlose Fan abgetastet werden. Aber die Sicherheitskräfte sollten bei Verdacht genauer hinsehen, auch wenn der Einlass dadurch länger dauere, aber: „Das muss man ertragen können“. Schließlich gehe es um die Sicherheit der Menschen.

„In Rostock herrschen andere Regeln“

Regelrecht empört ist Lenders über die offenkundige Zusammenarbeit vieler Vereine mit gewaltbereiten Fangruppen. Verbilligte Dauerkarten und vorzeitiger Einlass gelten dabei noch als harmlos. „Es gibt Erkenntnisse, dass Vereine sogar ermöglichen, verbotene Gegenstände wie Bengalos zu lagern.“ Aus ermittlungstaktischen Gründen will Lenders keine Namen nennen, aber natürlich seien es diejenigen Vereine, bei deren Spielen es häufig zu krawallartigen Szenen komme.

Dann wird er doch noch deutlich: Hansa Rostock habe die Hamburger Polizei, die das Spiel St. Pauli-Rostock sichern sollte, darauf „hingewiesen, dass im Rostocker Stadion andere Regeln herrschen als in Hamburg“. Das sei eine Aufforderung gewesen, nicht so genauso hinzusehen, sagt Lenders.

Zu wenig Stadionverbote nach Straftaten

Das Kalkül des DFB, mit Kooperation die Gewalt der Ultras einzudämmen, sei gescheitert: „Es wird sogar immer schlimmer“. Es gebe kein Bewusstsein dafür, dass es strafbar ist, den Torpfosten zu zerstören oder den Elfmeterpunkt herauszureißen. So müsse die Polizei eine immer gewaltbereitere Fangemeinde im Zaum halten. 6000 Fans seien nach Straftaten im Stadion von der Polizei in Gewahrsam genommen worden – aber „nur 983 bekamen ein Stadionverbot“, schimpft Lenders. Neben der Kooperation mit gewaltbereiten Fans wirft er den Vereinen vor, nicht von ihrem Hausrecht Gebrauch zu machen, um die Krawallmacher fernzuhalten. All das führe zu erheblichen Kosten. Lenders spricht von mindestens 100 Millionen Euro, mit denen die Polizeieinsätze in den Fußballstadien zu Buche schlagen.

Seine Forderung: Die Dachverbände sollen sich mit 50 Millionen Euro an den Kosten zur Sicherheit beteiligen, die Zusammenarbeit mit Ultras sofort beenden und schnell Hausverbote erteilen. Das Fazit des Polizeigewerkschafters: „Es gibt kein Grundrecht auf Fußball“.