Hamburg. . Seit kurzem heißt der ARD-Digitalkanal EinsExtra tagesschau24. Aber: Ist der zusätzliche Info-Kanal überhaupt nötig? Wie grenzt er sich von Phoenix ab. „Tagesschau“-Chef Kai Gniffke stellte sich kritischen Fragen.

Am Sonntag kann der Digitalkanal tagesschau24 zeigen, was er kann. Während sich die ARD am Wahlabend um 19.30 Uhr von der Live-Berichterstattung aus NRW verabschiedet, liefert der Sender Infos ohne Unterlass. Dennoch stellte Jürgen Overkott „Tagesschau“-Chef Kai Gniffke die Frage, ob diesen Job nicht auch Phoenix kann.

Medienpolitiker wie (der rheinland-pfälzische Ministerpräsident) Kurt Beck fordern weniger gebührenfinanzierte Digitalkanäle. Wie es aussieht, bieten ARD und ZDF eher mehr. Wie passt das zusammen?

Kai Gniffke: Wir erfüllen genau den Auftrag, den Medienpolitiker uns gegeben haben, nämlich sechs Digitalkanäle zu veranstalten. Und wo, wenn nicht in der Information, dem Kernbereich des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, sollten wir einen solchen Digitalkanal betreiben?

Einspruch. ARD und ZDF betreiben mit Phoenix schon einen Info-Kanal. Warum wird die Zersplitterung des Marktes vorangetrieben?

Kai Gniffke: Wir machen etwas, was es im öffentlich-rechtlichen Bereich sonst nicht gibt. Tagesschau24 - bisher hieß das Programm EinsExtra - ist ein Nachrichten-Kanal, Phoenix ein Dokumentations- und Ereigniskanal für längere Berichterstattungsstrecken. Tagesschau24 bietet permanent frische Nachrichten, keine Dokumentationen. Deshalb geht es bei dem Sender nicht um Zersplitterung, sondern Ergänzung.

Nur noch ein Nachrichten-Studio

Permanent frisch - was heißt das?

Kai Gniffke: Der Aktualisierungstakt ist hoch. Wir sind immer on air, wir haben den Anspruch, immer aktuell zu sein. Wir senden im Viertelstunden-Takt, wir beginnen mit einem Nachrichten-Überblick, dann kommen die Ressorts Sport, Kultur, Wirtschaft. Und das machen wir in der Kernzeit des Tages, nach dem „Morgenmagazin“ um 9 bis zur „Tagesschau“ um 20 Uhr. Abends übernehmen wir die Formate des Ersten, „Tagesthemen“ und „Nachtmagazin“ sowie die Nachtausgaben der Tagesschau..

Mehr Angebot heißt mehr Personal.

Kai Gniffke: Im Gegenteil. Wir produzieren schlanker, effizienter, günstiger.

WAZ: Wie das?

Kai Gniffke: Wir haben bis vor einem halben Jahr zwei Studios betrieben, eins für die „Tagesschau“, eins für „Tagesschau24“. Wir haben jetzt nur noch ein Nachrichten-Studio.

Die Digitalkanäle werden gern als Talentschuppen genutzt...

Kai Gniffke: ...das ist bei „Tagesschau24“ auch so. Linda Zervakis ist eine Moderatorin, die dort groß geworden ist und die uns auffiel. Sie ist ein herausragendes Talent. Sie hat ihren Weg in die „Tagesschau“ und die „Tagesthemen“ gefunden.

Wenn sich das gechillte Publikum die „Tagesschau“ reinpfeift

Bedeutet ein neues Gesicht auch ein neues Format?

Kai Gniffke: Eben nicht. Mit der „Tagesschau“ machen wir das, was wir am besten können - und zwar mit derselben Nachrichten-Philosophie wie die „Tagesschau“.

Aber ihr Publikum ist anders.

Kai Gniffke: Wir bieten zu jeder Tageszeit frische Nachrichten, und wenn sich das Publikum versorgt hat, verlässt es uns wieder. Das führt natürlich dazu, dass die Zuschauer nicht lange bei uns verweilen. Das bedeutet natürlich auch, dass wir in der Quoten-Abrechnung nicht gerade vorne rangieren. Aber das nehmen wir in Kauf.

Das hört sich nach der Generation Internet, die - höflich formuliert - zum Multi-Tasking neigt. Wie unterscheidet sich die Sprache von „Tagesschau24“ vom Original?

Kai Gniffke: Gar nicht. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass junge Zuschauer genauso ernst genommen werden wollen wie Ältere. Selbst wenn sich das gechillte Publikum die „Tagesschau“ reinpfeift, wanzt sich die Sendung nicht ran.

Gibt es andere Themen?

Kai Gniffke: Erst kommt das Kriterium der Relevanz, der Bedeutsamkeit, dann das der Bildhaftigkeit.

Wird die Republik für den neuen Sender zuplakatiert?

Was Alte und Junge für relevant halten, ist allerdings unterschiedlich. Für die einen ist Umwelt super wichtig, für die anderen Rente. Wie finden Sie den richtigen Mix?

Kai Gniffke: Das ist die Aufgabe der Journalisten, die richtige Balance für unsere Zielgruppe zu finden. Und unsere Zielgruppe heißt: alle. Das macht unsere Aufgabe schwieriger, aber einfach wäre langweilig.

Wie sieht die Verbindung zwischen Digitalkanal und Hauptprogramm aus?

Kai Gniffke: Wir können auf Ereignisse wie den arabischen Frühling oder Fukushima viel schneller als früher reagieren. Wir können Filme anbieten für die „Tagesschau“ oder „Tagesschau extra“-Ausgaben stemmen, aber auch Videos liefern für unseren „Tagesschau“-Auftritt im Internet.

Wird zum Start von „Tagesschau24“ die Republik so zuplakatiert wie bei der Premiere von ZDFneo?

Kai Gniffke: Nein. Wir können uns das gar nicht leisten. Im 21. Jahrhundert gibt es für unseren Zweck intelligentere Varianten. Wir wollen durch unsere Leistung so überzeugen, dass Marketing-Kampagnen gar nicht nötig sind.

Ihnen reicht der „Gefällt mir“-Button bei Facebook.

Kai Gniffke: Ich finde ihn interessanter als Plakate.