Berlin. . Noch ist der „Willy Brandt“-Flughafen Deutschlands wohl größte Baustelle, am 3. Juni soll er als neues Drehkreuz der Hauptstadt den Betrieb aufnehmen. Im Vorfeld der Eröffnung sich Befürworter und Gegner um das 2,5 Milliarden Euro teure Projekt.

Das hier draußen ist keine Landschaft für Menschen. Der 200-Seelen-Ort Diepensee war im Weg. Er ist weggeräumt. Das riesige Terrain, 2000 Fußballfelder groß, schimmert in allen Grautönen. Im Norden 3600 Meter Asphaltbahn. Im Süden 4000 Meter aus Beton. Am Horizont stehen die fertigen Terminals. Die Stille ist gespenstisch. Erst früh am 3. Juni wird es laut. Dann geht „Willy Brandt“ ans weltweite Netz der Boeings und Airbusse. Die größte Baustelle Deutschlands wird zum neuen Airport der deutschen Hauptstadt. 2,5 Milliarden Euro teuer und, wegen des Lärms, längst ein Zankapfel.

Die Wortführer des Streits kommen aus dem Ruhrgebiet. Rainer Schwarz, geboren in Kettwig, lange Manager des Düsseldorfer Flughafens, ist heute Chef von „Berlin Brandenburg International“. Ferdi Breidbach, früher Duisburgs CDU-Vorsitzender und Bundestagsabgeordneter, ist Vater der größten Bürgerinitiative der Region. Der 51-jährige Schwarz hofft auf den Erfolg seines Projektes als Jobmaschine und auf jährlich 27 Millionen Passagiere. Der 74-jährige Breidbach setzt darauf, dass der Moloch doch noch verschwindet.

Berlins heutige Flughäfen – Tegel im Westen, Schönefeld im Osten – stehen für die Teilung der Stadt. In der Nacht zum 3. Juni, nach fünf Baujahren und einer monströsen Umzugsoperation mit 2800 Lkw, werden beide abgeschlossen. Es wird nur noch einen Flughafen geben – so, wie der Namensgeber 1989 wollte, dass zusammen wächst, was zusammen gehört.

700 Flugbewegungen am Tag

Ferdi Breidbach steuert sein Auto durch den Landkreis Dahme-Spreewald. Mahlow oder Selchow heißen die Dörfer. Hübsche Villen zieren sie, im Westernstil wie die der „Kanada-Siedlung“, Biergärten, alte Dorfkirchen. Vieles steht „zum Verkauf“. „Sehen Sie“, sagt Breidbach, „die Überflughöhe hier ist 200 bis 300 Meter“. 40 Maschinen werden sogar nachts starten und landen können.

1470 Hektar Fläche. 20 000 Beschäftigte. 700 Flugbewegungen am Tag und 100 000 Tonnen Fracht im Jahr. Es ist der Spickzettel des künftigen Großflughafens. „Der Airport wird das Entree zu einer der aufregendsten Städte der Welt“, wirbt der Manager. Er redet von der Basis, die Air Berlin hier haben wird und von dem gigantischen Lufthansa A 380, der am Premierentag um 5.30 Uhr startet. Sein Plan ist ein „Umsteige-Hub“, wie es schon München und Frankfurt sind. „Wenn’s so läuft, werden wir uns bald über eine Expansion unterhalten.“

22 Kilometer Abstand

Linden und der Kudamm sind 22 Kilometer entfernt. Immerhin 22, würde Schwarz sagen. Nur 22, würde Breidbach antworten. Beim Krach um den Lärm geht es um die Distanz zu den dicht bebauten Wohnvierteln der größten deutschen Stadt. In Berlin ist passiert, was auch bei „Stuttgart 21“ oder der neuen Landebahn Nord in Frankfurt vorgekommen ist. Die Politik hat den Anliegern lange vorenthalten, welche Wohngebiete wie stark von den Umweltauswirkungen betroffen sind. Seither brodelt der Stadtrand, sammelten Initiativen Zehntausende von Unterschriften. Auch haben gerade 1300 von 25 000 betroffenen Wohnungen die zugesagten Lärmschutzfenster.

Eine Klage liegt beim Verfassungsgericht. Für Ferdi Breidbach aber ist das alles nur das I-Tüpfelchen für seinen Ärger, über den er längst seine Partei verlassen hat. Berlinern und Brandenburgern hätte man eine Alternative bieten können, sagt er. In Sperenberg, einem alten sowjetischen Flugfeld, nur 45 Kilometer von der Stadtmitte entfernt, „wären 3000 Menschen vom Lärm betroffen gewesen. Nicht 25 000“.

Die Gepäckanlagen funktionieren bereits

Rainer Schwarz hat vier Wochen vor der Stunde null ganz andere Sorgen. Der Zeitplan ist eng. Noch fehlen Brandschutzanlagen. Das Steigenberger-Hotel schafft die Eröffnung erst im August. Noch sind nicht alle der 150 Shops und Restaurants belegt. Immerhin: Die Gepäckanlagen funktionieren. 10 000 Berliner haben den Betrieb getestet. Die Flugsicherungstechnik ist okay. Züge können in den Tiefbahnhof rollen, und die Terminals strahlen in Hell- und Dunkelrot, den Farben der Region.

Die Passagiere können kommen.