Washington. . Die dienstälteste Weltraumfähre der Nasa, die „Discovery“, kommt am Dienstag aus Florida nach Washington geflogen. Nach ihrem letzten Flug landet sie im Luft- und Raumfahrtmuseum.
Todd Davids wird einer der Ersten sein, die am frühen Dienstagmorgen ihre Klappstühle am Southwest Waterfront Park aufstellen, um nur ja keine Sekunde zu verpassen, „wenn OV-103 in den Luftraum über Washington DC eindringt“. OV, so erklärt der passionierte Raumfahrt-Fan aus Virginia bereits am Vorabend, steht für „Orbiter Vehicle“. Weltraum-Fahrzeug. 103 für „Discovery“.
Wenn alles glatt läuft, wird es am Mittag bei frühsommerlichen Temperaturen von 24 Grad soweit sein. Huckepack, auf dem Rücken einer umgebauten Boing 747, schwebt die „Discovery“ dann in nur 700 Meter Höhe eine gute halbe Stunde über der Hauptstadt. Tausende Handy-Kameras werden klicken. Kurz darauf die Landung auf dem Dulles Airport. Endstation. Schon morgen wird der neue Star eines der meistbesuchten Museen der Welt, des „National Air and Space Museum Steven F. Udvar-Hazy Center“, zum ersten Mal der Öffentlichkeit gezeigt.
Bis zum Wochenende erwartet zehntausende Besucher ein Spektakel mit ehemaligen Crew-Mitgliedern, lebenden Raumfahrtlegenden, tonnenweise Technik und Erinnerungen. Das Fahrtenbuch der Discovery ist beeindruckend: 39 Weltall-Missionen in 27 Jahren. Netto über ein Jahr in der Erdumlaufbahn gewesen. Knapp 6000 Mal die Erde umtost. Bei einem Durchschnittstempo von 28 000 Sachen rund 250 Millionen Kilometer zurückgelegt – keine Weltraumfähre der Nasa hat mehr Rekorde aufzuweisen; die erste Pilotin (Eileen Collins) und den ältesten Passagier (Astronaut John Glenn) inklusive. Achtmal transportierte das 75 300 Kilogramm schwere Gerät Kommunikations-Satelliten ins All. Nicht zu vergessen das Weltraumteleskop „Hubble“, das der Astronomie einen unglaublichen Schub verlieh. Zweimal besuchte die Discovery die russische Weltraum-Station Mir.
Concorde und „Tante Ju“ sind Nachbarn im Museum
„Zuverlässig wie ein Uhrwerk“, wie Travis Thompson sagt; einer von Hunderten Spezialisten im Kennedy Space Center in Florida, die „ihr Baby“ nur ungern ziehen lassen. An der „Discovery“ richtete sich Amerika auf, nach dem die Schwester-Schiffe „Challenger“ (1986) und „Columbia“ (2003) explodierten und 14 Astronauten in den Tod rissen. Die „Discovery“ war es, die Politik machte; Sergei Krikaljow, der erste russische Astronaut in einem „Shuttle“ – hier saß er an Bord.
Im „Udvar Hazy Center“, einer riesigen Außenstelle des Smithsonian-Mutterhauses an der Washingtoner Museums-Mall, ist das Stück in guter Gesellschaft. Zu den Nachbarn in der imposanten Ausstellungshalle, die 2011 rund 1,2 Millionen Menschen besuchten, gehören unter anderem eine Gemini 7-Kapsel, die Concorde und die alte deutsche „Tante Ju“.
Die original-Triebwerke wurden durch Kopien ersetzt
Valerie Neal, Kuratorin der Ausstellung, verspricht künftigen Besuchern „Weltraum-Geruch“. Die Fähre, die über die Jahre 252 Astronauten ins Orbit gebracht hat, werde so präsentiert, „als sei sie eben gelandet“. Na ja, nicht ganz. Wichtige technische Details, die drei Original-Triebwerke etwa, wurden durch täuschend ähnliche Kopien ersetzt oder ausgebaut. Dafür blieben die 20 000 Hitzeschild-Kacheln unberührt; jedenfalls die, die noch da sind.
Todd Davids Raumfahrtbegeisterung nimmt bereits beinahe religiöse Züge, bevor die „Discovery“ am Hauptstadt-Himmel erscheint. „Wunderbar! Phantastisch!“ Dabei hat der aeronautische Gigaliner-Transport nichts mit dem Bild gemein, das aus Cape Canaveral überliefert ist: Auf dem Rücken eines Treibstofftanks ritt die „Discovery“ senkrecht in den Himmel. „Für den Schub sorgten damals seitlich angetackerte Booster-Raketen“, erinnert sich der Hobby-Raumfahrer. Nicht mehr nötig. Im Sinkflug wird das einstige Arbeitspferd unter den Nasa-Shuttles sicher an seinen musealen Bestimmungsort gelangen. Das Konzept der unbegrenzt wiederverwendbaren Raumgleiter, es ist dann doch noch aufgegangen. Dirk Hautkapp