Washington. . Angehörige des Secret Service haben es bei einem Einsatz in Kolumbien offenbar so richtig krachen lassen - und offenbar die Dienste diverser Prostituierter in Anspruch genommen. Das könnte die Beamten erpressbar machen - und damit den Präsidenten gefährden. Der kündigt derweil Aufklärung an.

Bevor „Renegade” irgendwo auf dieser Welt seinen Fuß hinsetzt, haben sie tagelang vorher die Gegend ausgekundschaftet, mögliche Fluchtwege und Risiken ausgemacht, zur Not Gully-Deckel verschweißen lassen und alle jenen mächtig auf den Zahn gefühlt, die dem Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika (Codename: „Renegade”, Abtrünniger) auch nur ansatzweise gefährlich werden könnten.

Normalerweise versehen die Agenten des in Dutzenden Kino-Filmen und Kriminal-Romanen verewigten „Secret Service“ ihre Arbeit unauffällig und geräuschlos. Vor dem Amerika-Gipfel in Cartagena brach ein gutes Dutzend der meist breitschultrigen, äußerst ungesprächigen Elite-Leibwächter mit Sonnenbrille und Funk-Knopf im Ohr mit dieser Tradition. Während ihres einwöchigen Vorauskommandos im Gipfel-Teilnehmer-Luxus-Hotel Caribe des kolumbianischen Badeorts haben die für den persönlichen Schutz amtierender und ehemaliger Regierungsspitzen und deren Familien verantwortlichen Beamten nicht nur zünftig getrunken, sondern sich auch diverse Prostituierte aufs Zimmer kommen lassen.

Weil eine Verkäuferin körperlicher Liebe sich um ihren ortsüblichen Lohn von 47 Dollar geprellt sah und beleidigt die örtliche Polizei einschaltete, flog das „Casino Royal“ für Arme auf. Außenministerium, Weißes Haus und der 1865 gründete „Secret Service” selbst sammeln seither die Scherben auf, die in den amerikanischen Medien genüsslich ausgebreitet werden.

Elf „Special Agents“ wurden noch vor Obamas Eintreffen in Kolumbien zurück in die Zentrale nach Washington beordert, stundenlang vernommen und wegen grober Verstöße gegen den Ehrenkodex vom Dienst suspendiert. Fünf US-Soldaten, die den Agenten zugeteilt waren, wurden in Kolumbien festgesetzt. Ihnen drohen Disziplinarverfahren.

Katastrophaler Tabubruch

Peter King, bärbeißiger republikanischer Vorsitzender des Ausschusses für Heimatschutz im Repräsentantenhaus, sagte nach einer Sonder-Unterrichtung, dass zu keiner Zeit eine Gefahr für den Präsidenten bestanden habe. Ronald Kessler, Journalist und Autor eines der wenigen Fachbücher über den „Secret Service“, der ursprünglich als Falschgeld-Polizei diente, spricht dagegen vom „größten Skandal in der Geschichte des Dienstes“. Agenten machten sich „ein Leben lang erpressbar, wenn sie mit Prostituierten verkehren“, sagte er dem Fernsehsender ABC – „und das stellt letztlich eine Bedrohung für den Präsidenten dar.“

Obwohl die Beschuldigten nicht zum inneren Zirkel derer gehören, die Obama 24 Stunden am Tag auf Schritt und Tritt folgen, gilt der Fall in Washington als „katastrophaler Tabubruch“. Das laxe Verhalten „von verheirateten Männern, die ihre Triebabfuhr nicht unter Kontrolle haben“, kompromittiere das Image der Elite-Einheit, die „allerstrengste Anforderungen an körperliche Einsatzfähigkeit, Schießkünste sowie politische und moralische Integrität erfüllen muss“, sagte ein Sicherheits-Experte der Bundespolizei FBI dieser Zeitung.

Paul Morrisey, Vize-Chef des Dienstes, der rund 4500 Spezial-Agenten, uniformierte Bedienstete und 2000 technische Helfer in weltweit 150 Büros beschäftigt (darunter auch in Frankfurt), soll nach Medien-Berichten intern „das große Reinemachen“ angekündigt haben. Auch US-Präsident Barack Obama äußerte sich: Er wäre natürlich verärgert, wenn sich die Vorwürfe als wahr herausstellen sollten, sagte Obama am Sonntag auf einer Pressekonferenz zum Abschluss seiner Teilnahme am Amerika-Gipfel in Kolumbien. Die Agenten repräsentierten im Ausland die Vereinigten Staaten und müssten sich daher überall auf der Welt würdevoll verhalten. Die berichteten Vorwürfe entsprächen offensichtlich nicht den Standards, erklärte er. Der Präsident versprach eine eingehende Untersuchung.

Tödliche Schießerei

Im vergangenen Jahr geriet der Dienst in die Schlagzeilen, als ein Agent in Iowa betrunken am Steuer erwischt und ein anderer in Honolulu in eine tödliche Schießerei verwickelt wurde. 2009 ließ der „Secret Service“ es zu, dass zwei dubiose Autogrammjäger unerkannt die scharfen Personenkontrollen am Weißen Haus überlisten konnten.

Der Skandal von Cartagena stellt für die US-Regierung eine besondere Peinlichkeit da. „Die Gringos führen sich auf, als sei Latein-Amerika ein riesiges Bordell”, twitterte ein einflussreicher politischer Kommentator aus Venezuela.