Frankfurt. . Vor 50 Jahren trat John Herschel Glenn an, um das Selbstbewusstsein der USA wiederherzustellen. Als erster Amerikaner sollte er in den Orbit geschossen werden. Als Stellvertreter für die ganze Nation nahm er auf dem Höhepunkt des Kalten Kriegs den Kampf mit der Sowjetunion um die Vorherrschaft am Himmel auf.
Am 20. Februar 1962 trat John Herschel Glenn an, um das Selbstbewusstsein der USA wiederherzustellen. Als erster Amerikaner sollte er in die Erdumlaufbahn geschossen werden. Als Stellvertreter für die ganze Nation nahm er auf dem Höhepunkt des Kalten Kriegs den Kampf mit der Sowjetunion um die Vorherrschaft am Himmel auf.
Wochenlang campierten tausende Menschen rund um den Startplatz Cape Canaveral, um das Ereignis nicht zu verpassen. Als um 09.47 Uhr die Raketenmotoren gezündet wurden, blickte die gesamte Nation mit Spannung auf das neun Stockwerke hohe Monstrum an dessen Spitze Glenn eingepfercht in die winzige Mercury-Raumkapsel saß.
Der Sputnik-Schock
Die bis dahin durchwachsene Erfolgsbilanz der noch jungen Raumfahrtagentur NASA verlieh dem ganzen die Aura eines Himmelfahrtskommandos. Bei den meisten Tests lösten sich die Atlas-Raketen in Feuerbällen auf. Und dieser mit zig Tonnen hochexplosivem Treibstoff gefüllte Tank sollte nun Glenn und die Hoffnungen Amerikas ins All katapultieren.
Mit dem Start des ersten künstlichen Satelliten „Sputnik“ hatte die Sowjetunion die USA 1957 kalt erwischt. Das Gefühl der technologischen Überlegenheit war mit einem Schlag verpufft. Nicht nur das, die USA wähnten sich im Rückstand. Um diese Lücke zu schließen, wurden alle Kräfte mobilisiert. Projekt Mercury war die Antwort – es sollte Amerika seinen Glauben an sich selbst zurückgeben.
Glenn war nicht der erste Amerikaner im All
Als erster sollte aber nicht Glenn, sondern Alan Shepard zum Zug kommen. Am 5. Mai 1961 startete er mit einer Redstone-Rakete als erster Amerikaner ins All. In 15 Minuten flog er auf knapp 190 Kilometer Höhe und fiel dann zurück auf die Erde. Der Flug war ein voller Erfolg und trotzdem nur ein erster Schritt, um mit den Sowjets auf Augenhöhe zu kommen. Die hatten einen halben Monat zuvor vorgelegt und Juri Gagarin sogar in die Erdumlaufbahn geschossen.
Nach einem weiteren ballistischen Flug von Virgil Grissom war Glenn an der Reihe. Diesmal kam ihm der Vorsprung der Sowjetunion gelegen. Mit einem Weltraumaufenthalt von mehr als 24 Stunden ließ Kosmonaut German Titow den amerikanischen Hopser in den Atlantik bedeutungslos aussehen. Damit weiter unter Druck geraten, fiel bei der NASA die Entscheidung, Glenn nicht noch einmal mit der kleinen Redstone-Rakete auf die Reise zu schicken, sondern gleich mit der doppelt so großen Atlas in die Erdumlaufbahn zu schießen.
Großartige Aussicht
Nach zahlreichen wetterbedingten Verschiebungen hob Glenn schließlich am 20. Februar ab. Ganz langsam hob sich die Rakete vom Startplatz. Die Beschleunigung presste Glenn in seinen Liegesitz. 13 Sekunden nach dem Start durchbrach das Gefährt die Schallmauer.
Alles lief wie am Schnürchen. „Null G und ich fühle mich gut“, funkte Glenn zur Erde zurück. „Die Aussicht ist großartig!“ Unter ihm rotierte die Erde hinweg. Er flog rückwärts mit über 28.000 Kilometern pro Stunde in Richtung Osten. Als er das nächtliche Australien überquerte, waren in Perth als Gruß an den Amerikaner über ihren Köpfen alle Lampen eingeschaltet. „Das Licht ist gut zu erkennen. Und sag danke an alle“, bedankte sich Glenn bei der Bodenstation in Australien.
Die Schreckensnachricht
Beim dritten und letzen Umlauf kam dann eine Schreckensnachricht. Über Hawaii wurde Glenn aufgeklärt: Die Bodenstation hatte von der Raumkapsel das Signal „Landesack ausgefahren“ erhalten. Sollte das stimmen, wäre das Hitzeschild locker und Glenn würde beim Wiedereintritt in die Atmosphäre verglühen. Er saß mit dem Rücken zur Flugrichtung. Die Hitze würde sich also durch seinen Sitz fressen und dann als erstes seinen Rücken verkohlen. Über Kalifornien zündeten die Bremsraketen. Über Texas begann der Wiedereintritt.
Um das Hitzeschild zu stabilisieren entschied die Bodenkontrolle, die Bremsraketen nicht wie geplant abzustoßen, sobald sie aufgebraucht waren. Glenn saß nun in einem Feuerball mit möglicherweise defektem Hitzeschild und ohne Funkkontakt zur Bodenstation. Durch die Sichtluken konnte er sehen, wie die brennenden Überreste der Bremsraketen sich auflösten.
Falscher Alarm und Konfetti-Parade
Doch alles ging gut. Ein Fehler in der Elektronik hatte ein falsches Signal gesendet. Falscher Alarm. Vier Stunden und 55 Minuten nach seinem Start landete Glenn wohlbehalten und wurde 1.200 Kilometer vor Bermuda von einem Schiff der US-Marine aus dem Atlantik gefischt.
Nach seiner Landung kannte die Begeisterung für Glenns Heldentat keine Grenzen mehr. Shepard wurde nach seinem Flug von Präsident John F. Kennedy im Weißen Haus empfangen. Glenn ging nicht zu Kennedy. Kennedy kam zu ihm nach Florida. Er wurde mit weiteren Ehren überschüttet - eine Parade durch Washington, ein Empfang im weißen Haus, die Ehrenmedaille vom Präsidenten und Glenn durfte wie sonst nur Präsidenten und Regierungschefs vor versammeltem US-Kongress sprechen.
Die größte Ehrung für Amerikas größten Helden war aber wohl die Konfettiparade in New York. Millionen Menschen jubelten ihm zu. Vom Flughafen bis nach Manhattan standen die Menschen bei minus acht Grad am Straßenrand Spalier. Nur Charles Lindbergh nach seiner Atlantiküberquerung und das Ende des Zweiten Weltkriegs wurden ähnlich frenetisch gefeiert - und nun Glenn. Er hatte den Russen im All Paroli geboten. (dapd)
Das Rennen zum Mond:
4. Oktober 1957: Die Sowjetunion schickt den ersten künstlichen Satelliten „Sputnik“ ins All.
3. November 1957: Die Hündin Laika wird als erstes Lebewesen in den Weltraum geschossen.
31. Januar 1959: Die USA bringen ihren ersten Satelliten ins All.
12. April 1961: In seinem Raumschiff „Wostok 1“ umrundet der sowjetische Kosmonaut als erster Mensch im Weltraum die Erde.
5. Mai 1961: Als erster Amerikaner fliegt Alan Shepard ins All. Sein 15-minütiger ballistischer Flug trägt ihn jedoch nicht in die Erdumlaufbahn.
25. Mai 1961: US-Präsident John F. Kennedy fordert im Kongress die USA dazu auf, einen Mann auf den Mond zu schicken.
6. August 1961: Der Kosmonaut German Titow verbringt mehr als 24 Stunden im All.
20. Februar 1962: US-Astronaut John Glenn umrundet als erster Amerikaner die Erde.
18. März 1965: Kosmonaut Alexei Leonow unternimmt den ersten Weltraumspaziergang.
3. Juni 1965: Astronaut Ed White unternimmt den ersten Weltraumspaziergang für die NASA.
15. Dezember 1965: Walter Schirra und Thomas Stafford docken mit Gemini 6 erstmals an ein anderes Raumschiff, Gemini 7, an.
21. Dezember 1968: Erste bemannte Mondumrundung durch die US-Mission Apollo 8.
16. Januar 1969: Erstes Rendezvous zweier sowjetischer Raumschiffe durch Sojus 4 und Sojus 5.
20. Juli 1969: US-Astronaut Neil Armstrong, Kommandeur der Mission Apollo 11, setzt als erster Mensch seinen Fuß auf den Mond.