Essen. . Vor 25 Jahren löste ein Witzchen von Rudi Carrell eine Staatskrise aus. Der junge muslimische Gottesstaat Iran fühlte sich beleidigt und reagierte zornig. Der Fall hat Auswirkungen bis in die Gegenwart des Fernsehens.

Eigentlich war es ja nur ein Witz in einer TV-Sendung. Und nicht einmal ein guter. Doch er reichte, um heute vor 25 Jahren die deutsch-iranischen Beziehungen ernsthaft zu belasten. Obwohl der Scherzbold ein Holländer war. Der Fall hat bis heute grundsätzliche Bedeutung: Wie weit darf Comedy gehen?

Er ist Ärger gewohnt, seit er mit „Rudis Tagesshow“ im Ersten auf Sendung ist. Regelmäßig beschweren sich Politiker über Sprüche und Zitate, die Rudi Carrell ihnen in dem deutschen Comedy-Klassiker in den Mund legt. Originale Nachrichtenbilder verwendet der Showmaster dafür, lässt sie mit veralbernden Texten neu synchronisieren und mit zusätzlichem Material zusammenschneiden – wie das britische Vorbild „Not The Nine O’ Clock news“. Das Publikum liebt die Gags von Carrell. Bis zu 20 Millionen Zuschauer sehen die „Tagesshow“. Am 15. Februar aber scherzt Carrell nicht über deutsche Kanzler oder amerikanische Präsidenten, sondern über Ajatollah Chomeini. Und danach ist Schluss mit lustig.

Zwei Ehrbegriffe stießen zusammen

Stein des Anstoßes ist ein kurzer Film, der, geschickt geschnitten, den Eindruck erweckt, der Gründer des jungen iranischen Gottesstaates werde von begeisterten Anhängerinnen mit Dessous beworfen. Der Abspann der Sendung ist noch nicht gelaufen, da ruft der iranische Botschafter in Bonn bereits im Auswärtigen Amt an. Dieser Film, zürnt er, habe „das geistliche Oberhaupt aller Muslime“ schwer beleidigt und die religiösen Gefühle von „Muslimen in aller Welt“ verletzt. Derlei Empfindlichkeit ist neu. Medienrechtler Udo Branahl dazu: „Die Aufregung, die der Beitrag ausgelöst hat, beruht meines Erachtens auf unterschiedlichen Ehrbegriffen libertinärer westlicher Gesellschaften und fundamentalistischer muslimischer Gesellschaften.“

Schließlich muss Carrell selbst das Wort ergreifen

Jedenfalls schließen die Iraner am Morgen nach der Show ihre Konsulate in Hamburg und Frankfurt, in Teheran werden zwei Bonner Diplomaten zu „unerwünschten Personen“ erklärt. Zudem ziehen in Teheran Demonstranten vor die deutsche Botschaft.

Eine geforderte Entschuldigung der deutschen Regierung bleibt allerdings aus. Carrell selbst ergreift das Wort: „Wenn mein Gag mit Ajatollah Chomeini im Iran Verärgerung verursacht hat, bedauere ich das sehr und möchte mich beim iranischen Volk entschuldigen.“ Carrell fürchtet nach Morddrohungen um Leib und Leben: „Wenn das eskaliert, könnte es das Ende meiner Karriere sein.“

Vorbild für die „heute-show“

Zunächst glätten sich die Wogen. Doch kurz darauf wird die „Tagesshow“ nach 38 Folgen eingestellt. Der Showmaster selbst wirft hin, trotz guter Quoten. Die Entschuldigung, hat der ehemalige WDR-Unterhaltungschef Axel Beyer gemutmaßt, war „einer der Punkte, wo Carrell ein bisschen die Lust an dieser Sendung verloren hat.“

Das Publikum hat allerdings die Lust auf Nachrichten-Parodien keineswegs verloren. Die „Wochenshow“ von Sat.1 wird in den 90ern Kult, und die „heute-show“ des ZDF ist auf dem besten Weg dahin. Dennoch sind die Comedians vorsichtig geworden. Eines wollen sie in Zeiten des Terrors unbedingt vermeiden: eine Bomben-Stimmung.

Was sagt der Medienrechtler?

Zwischen Carrells Chomeini-Witzchen und den Mohammed-Karikaturen gibt es dem Dortmunder Medienrechtler Udo Branahl zufolge einen klaren Unterschied.

Die Mohammed-Karikaturen zählt der frühere Journalistik-Professor zur Satire, die einen kritikwürdigen Zustand durch Überzeichnung oder Verfremdung ins Absurde übersteigere. Die Karikaturisten hätten Vorstellungen muslimischer Fundamentalisten in Frage gestellt. Satire sei ein Beitrag zur Meinungsbildung in offenen Gesellschaften, so Branahl.

Carrell hingegen wird von Branahl der Comedy zugerechnet. Sie leiste keinen Beitrag zur Meinungsbildung. Deshalb müssen sich die Gags laut Branahl im Rahmen der allgemeinen Rechtsordnung halten. Dazu gehöre es, die Ehre eines Veralberten zu achten.

Fazit: Während Branahl die Grenzen für Satire weit steckt, spricht er Comedians kein Recht zu, religiöse Gefühle Anderer zu veralbern.