Lüneburg. Er hatte seine eigenen Kinder entführt und wurde nun wegen Kindesentführung verurteilt: Ein 38-jähriger Familienvater hatte das Sorgerecht für seine Kinder verloren und sie kurz darauf nach Ägypten und in den Sudan entführt. Nach 136 Tagen wurden die Kinder zurück nach Deutschland geholt.
Wegen der Entführung seiner Kinder nach Ägypten muss ein 38-jähriger Familienvater aus Hermannsburg (Landkreis Celle) anderthalb Jahre in Haft. Der Vorsitzende Richter Thomas Wolter erkannte am Donnerstag zwar die "subjektiv ausweglose Situation" des Angeklagten wegen des Verlusts des Sorgerechts für seine Kinder an. "Aber Sie wussten, dass es verboten ist, Ihre Kinder ins Ausland zu entführen", sagte Wolter. Da nicht auszuschließen sei, dass der 38-Jährige seine Tat wiederhole, wurde die Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt.
Vor dem Urteil hatte der Angeklagte Axel H. eineinhalb Stunden lang versucht zu erklären, warum er seine vier Kinder im vergangenen Jahr entführt hatte. Seine von ihm getrennt lebende Frau habe "Erziehungsprobleme" gehabt und die Kinder manipuliert, sagte er vor dem Landgericht Lüneburg. Mit der Entziehung des Sorgerechts hätten ihn aber die Gerichte von der Erziehung der Kinder abgehalten.
Entführung war laut Vater zum Wohl der Kinder
Der 38-Jährige empfindet das als einen "Plan, die Kinder von dem Vater fernzuhalten". "Aus Sicht des Kindeswohls musste also kurzfristig eine Veränderung herbeigeführt werden", erklärte er sein Handeln.
Diese Entscheidung getroffen, hatte Axel H. seine Kinder am Ostermontag 2011 von seiner getrennt lebenden Frau abgeholt und war mit ihnen, unter dem Vorwand einen Fahrradausflug zu machen, nach Ägypten und später vorübergehend weiter in den Sudan gereist. Die Mädchen und Jungen wurden nach 136 Tagen im Ausland befreit und kehrten wohlbehalten zur Mutter zurück.
Immer wieder betonte H. am Donnerstag, wie gerne die Kinder bei ihm waren und, dass sie auch von der Mutter wegliefen, um ihn zu sehen. Ihm sei es nicht darum gegangen, an seiner Frau Rache zu nehmen, weil diese inzwischen mit einem anderen Mann zusammenlebt, betonte er.
Angeklagter sprach vom Verfall der Gesellschaft
Staatsanwalt Lars Janßen sah das jedoch anders: "Das war keine Tat zum Wohle der Kinder sondern eine Tat zum Schaden der Mutter. Sie wollten Vergeltung. Das war Auge um Auge, Zahn um Zahn", sagte er. Er warf dem 38-Jährigen eine "extreme Auslegung des Glaubens" vor. Es gebe im Rechtsstaat aber "kein Recht zur Selbstjustiz auch nicht mit Bezug auf die Bibel", betonte er.
Axel H. bemühte sich in seinen Ausführungen dann auch die Rolle des religiösen Fanatikers abzustreifen. Dennoch sprach er lange über den moralischen Verfall in der Gesellschaft oder betonte: "Vor diesem Gericht habe ich keine Furcht, aber vor Gottes Gericht sollte jeder Furcht haben."
Sein Verteidiger stellte nach den Ausführungen seines Mandanten klar, dass "vieles besser nicht gesagt" worden wäre. In seinem Plädoyer betonte er, dass der Angeklagte sich gut um seine Kinder gekümmert habe. Das sahen auch Staatsanwaltschaft und Richter als strafmildernd an, beide bemängelten aber die fehlende Reue des Angeklagten.
Aus Sicht seines Anwalts hat der 38-Jährige aus Überzeugung gehandelt. "Er hat sich mit seinen Kindern ins Ausland begeben, weil er nur dort die Möglichkeit sah, dem seiner Meinung nach schlechten Einfluss der Mutter zu entgehen", sagte Ralf Blidon. Er sei von der "Richtigkeit seines Handelns überzeugt gewesen."
Richter gibt Familienvater Bibel-Gleichnis mit auf den Weg
Das Gericht bliebt letztlich hinter der Forderung der Staatsanwaltschaft, die zweieinhalb Jahre Haft gefordert hatte, zurück. Richter Wolter begründete das unter anderem damit, dass er sich um die Kinder "fürsorglich" gekümmert habe. Dennoch kritisierte er: "Ihre eigene Schuld haben sie uns nicht dargestellt." Er gab dem Angeklagten deshalb ein Gleichnis mit auf den Weg. "Das ist die Sprache, die sie gut kennen sollten", sagte er im Hinblick auf die von dem Angeklagten oft zitierten Bibelstellen. Wolter zeigte sich überzeugt, dass H. einen "inneren strengen Richter" habe. "Nach ihrem inneren Ruf in ein Gefängnis sind sie so auch in ein äußeres Gefängnis gekommen."
Die Mutter der Kinder, Katja H., die in dem Prozess als Nebenklägerin aufgetreten war, sagte nach der Verhandlung, dass sie die Entscheidung des Gerichts respektiere. Sie und ihre Kinder würden nun "Zeit und Ruhe" brauchen, um diese Phase des Lebens zu verarbeiten. Auch Axel H. hatte schon vor der Verhandlung am Donnerstag gesagt, dass er "das weltliche Urteil" akzeptieren werde. (dapd)