Hamburg. Im Fall der Mitte Januar an Methadon gestorbenen Chantal hat die Staatsanwaltschaft Hamburg die Ermittlungen aufs Jugendamt und den Jugendhilfe-Verein ausgedehnt. Am Dienstag wurden Büros durchsucht und Akten sowie Daten beschlagnahmt.
Nach dem Tod der elfjährigen Chantal hat die Hamburger Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen ausgeweitet. Am Dienstag ließ die Behörde das zuständige Jugendamt im Stadtteil Wilhelmsburg sowie die Räume des freien Trägers Verbund sozialtherapeutischer Einrichtungen (VSE) durchsuchen, wie Oberstaatsanwalt Wilhelm Möllers bestätigte. Die acht Polizisten und ein Staatsanwalt stellten insgesamt 15 Jugendhilfe- und Pflegeakten sicher. Auch seien die Daten von diversen Rechnern gesichert worden.
Chantal war am 16. Januar nach der Einnahme des Heroin-Ersatzstoffes Methadon gestorben. Die Pflegeeltern nehmen seit Jahren an einem Methadon-Programm teil. Gegen sie und den leiblichen Vater des Mädchens besteht der Verdacht der fahrlässigen Tötung.
Ermittlungsverfahren gegen Jugendamt und Verein eingeleitet
Ferner hat die Staatsanwaltschaft nun ein Ermittlungsverfahren gegen die Jugendhilfe-Einrichtungen eingeleitet. "Wir ermitteln gegen bislang unbekannte Mitarbeiter des Jugendamtes und des Trägers wegen des Verdachts der Verletzung der Fürsorgepflicht", sagte Möllers. Eine solche könne mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder einer Geldstrafe geahndet werden.
Noch am Montagabend hatte sich die Staatsanwaltschaft den richterlichen Beschluss für die Durchsuchungen besorgt und am Dienstag von 9 bis 12 Uhr vollzogen. Die Mitarbeiter des Jugendamtes und des freien Trägers seien "völlig kooperativ" gewesen, sagte der Oberstaatsanwalt. Von den Akten seien Kopien angefertigt worden. "Die Auswertung der Durchsuchung kann einige Wochen in Anspruch nehmen", sagte Möllers.
Elfjährige war an Methadon gestorben
Der Fall Chantal beschäftigt Politik und Justiz seit Tagen, nachdem der Tod der Elfjährigen in der vergangenen Woche bekannt geworden war. Seither stehen das zuständige Bezirksamt-Mitte sowie die zuständigen Einrichtungen der Jugendhilfe in der Kritik. Am Montag zog Sozialsenator Detlef Scheele (SPD) erste Konsequenzen und ordnete mit sofortiger Wirkung neue Regelungen für die Vermittlung von Kindern und minderjährigen Jugendlichen in Pflegefamilien an. Bevor die zuständigen Bezirke eine geeignete Pflegefamilie auswählen können, müssen angehende Pflegeeltern und alle Hausangehörigen künftig nicht nur ein Führungszeugnis, sondern auch ein Gesundheitszeugnis vorlegen. Damit wollen die Behörden Suchterkrankungen und andere relevante Krankheiten zweifelsfrei ausschließen.
Scheele forderte zudem die Jugendämter über die Bezirke auf, alle 1.300 Hamburger Pflegefamilien und deren Hausangehörige bis zum 15. Februar genau zu überprüfen. Dabei soll insbesondere darauf geachtet werden, ob Hinweise auf Suchterkrankungen oder Straftaten vorliegen. (dapd)