Wuppertal. .
Eisbären können mit ihren mächtigen Tatzen verdammt zärtlich sein; jedenfalls, wenn sie gerade Mutter geworden sind. Vilma, die neun Jahre alte Bärendame, kuschelt mit Anori – die riesige Eisbärin und der jetzt gerade mal auf Meerschweinchengröße herangewachsene Winzling. Auf einem Monitor haben Tierärzte und Pflegerinnen die beiden immer im Blick. Sie können sehen, wie Vilma ihr 14 Tage junges Baby leckt, es säugt. Und der Hunger des Minibären ist groß. Vilma geht ganz in der Mutterrolle auf. „Sie selbst frisst in dieser Zeit nicht“, sagt Andreas Haeser-Kalthoff, Biologe im Wuppertaler Zoo.
Geschwisterchen ist gestorben
Dort ist die Freude groß. Nach sieben Jahren meldet der Tierpark im Bergischen wieder Eisbären-Nachwuchs, und dann auch nicht irgendeinen. Gezeugt hat ihn Lars, Vater des berühmten Eisbären Knut, von dem 2007 die ganze Republik schwärmte. Knut, der im vergangenen Jahr an einem Hirnschaden gestorben war, hat mit Anori jetzt nachträglich noch ein Halbgeschwisterchen bekommen. Das Kleine, vermutlich ist es ein Mädchen, kam am 14. Januar zur Welt – „ein sehr windiger Tag“, sagt Haeser-Kalthoff. Die Pflegerinnen hätten sich daher für einen Namen entschieden, der dem Grönländischen entlehnt ist und „Wind“ bedeutet.
Wie damals Knut kam auch jetzt Anori mit einem Geschwisterchen zur Welt. Doch Vilmas zweites Jungtier verendete. „Die Mutter hat es noch zwei Tage, nachdem es gestorben war, gepflegt und geleckt“, erzählt der Zoo-Biologe. Danach habe sie es „nach Eisbären-Art beerdigt“. Was so viel heißt wie: aufgefressen. „Das macht eine Eisbärenmutter, um die anderen Jungen zu schützen“, sagt Haeser-Kalthoff. Vom Kadaver könnten Infektionen ausgehen.
In freier Natur bringen die Bärinnen ihre Jungtiere in Schneehöhlen zur Welt. Im Zoo haben die Pflegerinnen ein Innengehege mit Streu gepolstert. Das ist jetzt die „Wurfhöhle“. Mutter und Kind werden dort völlig abgeschirmt. Bis die beiden die „Wurfhöhle“ erstmals verlassen und in einem Außengehege zu sehen sind, wird es „wohl Ende März/Anfang April werden“, schätzt Haeser-Kalthoff. Besucher werden sich also gedulden müssen.
Vater Lars würde das Bärchen angreifen
Denn: Auch Livebilder aus der „Wurfhöhle“ sind - zumindest derzeit - nicht geplant. Was aber nicht bedeutet, dass der Zoo Anori verstecken will, im Gegenteil: „Auch wir freuen uns über Aufmerksamkeit“, versichert Biologe Haeser-Kalthoff und erinnert gegenüber der NRZ daran, dass Zoos den Auftrag haben, Tiere den Menschen näher zu bringen. In Wuppertal wartet man aber erst einmal ab, was da an Aufmerksamkeit auf den Tierpark zukommt. Mit einem Hype wie bei Knut rechnet Haeser-Kalthoff nicht: „Der war einmalig. Und selbst wenn er nochmal käme, könnte man ihn nicht steuern.“
Einen lässt die ganze Sache ohnehin kalt: Lars. Der 18 Jahre alte Eisbär-Mann ist - wie in seinen Kreisen üblich - nicht besonders gesellig. Er hat das Außengehege derzeit für sich allein. Eine Familienzusammenführung ist auch gewiss nicht geplant. Sie wäre für Anori wohl lebensgefährlich. Der Zoo-Biologe sagt, warum: „Lars würde in dem Jungtier wahrscheinlich eine Beute oder zumindest einen Fresskonkurrenten sehen und es angreifen.“