London. Der britische Verleger Peter McGee will Auszüge des Hitler-Buches „Mein Kampf“ als Beilage seiner Sammelheft-Edition „Zeitungszeugen“ an deutschen Kiosken verkaufen. Um die dritte Ausgabe, geplant für den 26. Januar, hat sich jetzt ein heftiger Streit entzündet.

Neuauflage für einen verbotenen Bestseller: Adolf Hitlers „Mein Kampf“ soll sich ab kommender Woche in Kurzform am deutschen Kiosk behaupten – als Beilage der Sammelheft-Edition „Zeitungszeugen“. Fürchten muss der britische Verleger Peter McGee dabei nicht die Konkurrenz von Adelspostillen oder Comics, sondern juristische Probleme: Fast 70 Jahre nach Kriegsende scheint der Umgang mit historischen Nazi-Dokumenten in Deutschland weiter verpönt.

„Hitlers Streitschrift ist der ganzen Welt, aber ausgerechnet nicht der deutschen Öffentlichkeit zugänglich“, sagt McGee. „Das finde ich aberwitzig.“ Vergangene Woche hat der Brite die erste Ausgabe seiner Sammelhefte für Geschichtsfans ohne große Kritik an 30 000 deutsche Zeitungsstände gebracht.

Thema ist die Machtergreifung der Nazis 1933, veranschaulicht an Reproduktionen von Zeitungsseiten jener Zeit. Namhafte Wissenschaftler sorgen in Randspalten für die Einordnung und Analyse der Faksimile-Drucke.

„Wir wollen mit den Sammelheften niemanden beleidigen“

Um die dritte Ausgabe, geplant für den 26. Januar, hat sich nun jedoch heftiger Streit entzündet. So prüft derzeit das Finanzamt des Freistaates Bayern, das noch bis 2015 die Rechte an „Mein Kampf“ hält, rechtliche Schritte gegen den Vertrieb der Hitler-Beilage. Dabei hatte das Bundesland schon 2009 eine Niederlage gegen den Briten einstecken müssen. McGee setzte sich damals im Urheberrechtsstreit durch, zog sich aber wegen der großen Kritik mit seinem Produkt vom Markt zurück.

„Wir wollen mit den Sammelheften niemanden beleidigen“, erklärt er seinen zweiten Vorstoß. „Aber die Menschen sollen wenigstens die Möglichkeit haben, Auszüge aus der Hitler-Schrift lesen zu dürfen, um sich ihre eigene Meinung in einem wichtigen Kapitel deutscher Geschichte bilden zu können.“ Dass die nächste Ausgabe womöglich zensiert werden könnte, findet er „absurd“. „Sicher konnte man noch in den Sechzigern argumentieren, dass die Deutschen nicht reif genug sind, um mit Nazi-Propaganda umzugehen. Aber im 21. Jahrhundert ist eine solche Sichtweise, versteckt hinter Urheberrechtsklagen, bevormundend und hochnäsig.“

Auch Professor Horst Pöttker vom Institut für Journalistik der TU Dortmund attestiert dem Streit mehr Hysterie denn Sachlichkeit: „Die Frage, warum so viele Deutsche Hitler gefolgt sind, ist leider immer noch ein Tabuthema.“ Er hat die autobiografischen Kapitel aus „Mein Kampf“ in der kontroversen nächsten „Zeitungszeugen“-Ausgabe wissenschaftlich kommentiert. Und sagt: „Für die Aufarbeitung der Ära muss man verstehen, dass Hitler kein Monster, sondern ein Mensch war – mit Seiten, die wir alle in uns tragen. Man muss aber auch verstehen, wann die Eigenschaften, mit denen er die Masse faszinieren konnte, ins Barbarische und Inhumane umschlagen.“ Das drohende Vertriebsverbot bezeichnet Pöttker als „total verklemmten Umgang mit Original-Material“.

„Für sie liegt der Reiz im Verborgenen“

Der Londoner Verleger, ein höflicher 51-Jähriger mit leiser Stimme, überlegt angesichts der Widerstände, ob er zwei weitere, geplante „Mein-Kampf“-Beilagen zu Propaganda und Ideologie Hitlers lieber zurückhält. Noch hofft er allerdings, dass die Publikation in der öffentlichen Diskussion mit mehr „Coolness“ angenommen wird. In acht anderen Ländern Europas sind seine NS-Sammelhefte, die übrigens auch Zeitungsseiten der Opposition und Exilpresse abdrucken, auf keinerlei Widerstand getroffen. „Selbst in Österreich, das im Nationalsozialismus ja eine zentrale Rolle gespielt hat, war die Reaktion sehr besonnen“, sagt McGee. Mehr noch: Das Wiener Schulministerium setzte sich sogar dafür ein, dass Jugendliche Zugang zu den Magazinen hatten. 3,90 Euro kostet eine Ausgabe von „Zeitungszeugen“ am Kiosk. Dass Rechtsradikale diese Summe gern hinblättern, hält McGee für abwegig. „Für sie liegt der Reiz ja gerade im Verbotenen“, sagt er. „Schriften wie ,Mein Kampf’ kaufen sie im Netz oder auf dem Schwarzmarkt.“

Der Verleger glaubt, dass seine Kiosk-Serie genau das Gegenteil bewirkt: „Indem wir ein Schlaglicht auf ein mystifiziertes Buch werfen, enttarnen wir es als das, was es ist: wüstes Geschimpfe, hohle Phrasen, teils unleserliches Geschwall.“