Lüdenscheid. .
„Pass bloß auf, Schlomo Herzl! Diese Liebe ist lebensgefährlich!“ Just ein Jude, Schlomo Herzl, ist in George Taboris Farce „Mein Kampf“ maßgeblich an der Verwandlung des Menschen Hitler in das Monster Hitler beteiligt.
Schlomo ist es, der den im Männerwohnheim gestrandeten Provinzler fürsorglich unter seine Fittiche nimmt, der ihm den Seitenscheitel zieht und das auffällige Bärtchen verpasst. Schlomo ist es, der dem untalentierten Künstler eine politische Laufbahn empfiehlt und als Autor von „Mein Kampf“ in Erscheinung tritt. Mitbewohner Lobkowitz, der sich für Gott hält, erkennt die Gefahr, in die der jüdische Buchhändler und Menschenfreund sehenden Auges läuft - warnt aber umsonst.
Mit den Mitteln der Satire, Groteske und paradoxen Übertreibung setzte das Theater Poetenpack (Potsdam) Taboris bitterböse, beklemmende Farce am Samstagabend im Kulturhaus packend in Szene. Unter Regie des gebürtigen Lüdenscheiders Andreas Hueck nahmen sieben Schauspieler - bis auf Herzl, Hitler und Lobkowitz (Wolfgang Heiderich) in wechselnden Rollen zu sehen – die Zuschauer in die Wiener Blutgasse um 1910 mit. Ebenso komisch wie perfide fiel das Zusammentreffen von Opfer und Täter, Jude und Judenhasser aus. Aus scheinbar harmlosen Anfängen kippte die Szenerie ins Groteske, Unfassbare um. Makabre und todtraurige, freche, amüsante und beklemmende Szenen fanden sich in dieser fesselnden Inszenierung, die die Geburt der nationalsozialistischen Ideologie im Gewöhnlichen und Banalen entdeckte.
Live-Musik und Gesang, glänzend umgesetzt, waren fester Bestandteil des Stücks. Die Tristesse des Männerwohnheims beschwor das Bühnenbild von Janet Kirsten herauf.
Blanker Irrsinn
Abgerissene Kleidung kündete von der Armut seiner Bewohner. Teo Vadersen gab einen geschwätzigen, liebenswert naiven Herzl, der den lebensuntüchtigen, größenwahnsinnigen Hitler in sein Herz schloss und nach allen Regeln der Kunst bemutterte. Gretchen (Clara Schoeller) bot Herzl ihre Nacktheit, die ihn bis ins Mark erschütterte und schmerzliche Erinnerungen an Pogrome weckte.
Voller Widersprüche steckte Tilmar Kuhn als unberechenbarer Hitler, der sich an seinen eigenen Reden berauschte, mal ein Häufchen Elend war, dem Tod aber auf dem Weg zum Weltherrschaft als williger Helfershelfer folgte. Blanker Irrsinn wohnte unter seiner scheinbar harmlosen Fassade. Düster brach das brutale Ende herein, als Hitler und seine Kumpane Schlomos Huhn aufspießten.