Essen. . Henry Hübchen als knurriger Sowjet-Oberst ist Star in dem ARD-Film „Der Uranberg“. Dror Zahavi arbeitet ein brennendes Thema der DDR-Geschichte auf, das durch die Castor-Transporte plötzlich wieder aktuell ist.

Es schien ein reines Ost-Thema zu sein. Und dann kam der Castor. Dror Zahavis ARD-Film „Der Uranberg“ (Mittwoch, 20.15 Uhr) im Erzgebirge hat gute Chancen, ein Publikum im Osten wie im Westen zu erreichen.

Zeitreise. 1947. Nazi-Deutschland ist besiegt, seit zwei Jahren schon, der Kalte Krieg beginnt. In Ostdeutschland, genauer: im Erzgebirge, suchen die Sowjets nach dem Stoff, den sie für die Bombe brauchen: Uran. Der radioaktive Stoff birgt Gefahren – und ein unterirdischer See.

Drehbuch-Autor Hans-Werner Honert dramatisiert Zeitgeschichte per Love-Story. Film-Held Kurt (Vincenz Kiefer) lernt ausgerechnet Oberst Burskis Tochter (Nadha Bobyleva) kennen und lieben.

Neben dem jungen Personal setzt der Film auf einen großen Namen mit gesamtdeutscher Strahlkraft: Henry Hübchen. Er mimt den knurrigen Oberst.

Schnitt. Wir erreichen Dror Zahavi in Berlin. In diesem Jahr hat er alle Projekte abgedreht, darunter „München 1972“. Im kommenden Jahr zeigt Zahavi mit seiner Version das, was Steven Spielbergs „München“ fehlt: das Attentat auf Israels Olympia-Mannschaft und das missratene bundesdeutsche Krisen-Management. Jetzt hat Zahavi drehfrei, er kommt geradewegs aus dem Supermarkt, entspannt, ja gut gelaunt.

Ob der Anschlag auf die heiter gestarteten Olympischen Spiele oder die Luftbrücke in Berlin: Zahavi gilt als Experte für TV-Filme, die auf zeitgeschichtlichen Ereignissen beruhen. Mit dem „Uranberg“ greift Zahavi, mehr als 60 Jahre später, ein klassisches Ost-Thema auf. Warum interessiert sich das Publikum erst jetzt dafür? Zahavi: „Bei diesem speziellen Thema gab es gute Gründe, es zu DDR-Zeiten nicht aufzugreifen. Die ostdeutsche Kultur-Politik wollte das schwierige Verhältnis zu den Russen nicht aufgreifen, und nach der Wende hat es niemanden mehr interessiert. Westdeutschland war ja de facto Siegermacht.“

Mehr als 20 Jahre nach der Wiedervereinigung verschieben sich nach Zahavis Beobachtung die Akzente der Historiker: „Heute werden die Russen und die Rote Armee auch im Osten weithin als Besatzungsmacht gesehen.“

Zahavi fühlt sich bei den Dreharbeiten in Annaberg-Buchholz und im übrigen Sachsen in seiner Einschätzung bestätigt: „Da war das Interesse groß, zumal etliche Zeitzeugen noch leben. Das Thema ist präsent, die Leute reden noch darüber.“

Nebenher ist das Projekt für Zahavi eine Möglichkeit, seine eigenen DDR-Erfahrungen neu zu durchdenken. Der Filmemacher durfte den ostdeutschen Staat in den 80ern von innen besichtigen: „Ich konnte in (meiner Heimatstadt) Tel Aviv nicht studieren, weil ich es mir nicht leisten konnte. Das Studium war, sofern man aufgenommen wurde, kostenlos.“ Zahavi genoss damals einen Sonderstatus: „Ich, als Israeli, konnte reisen, zu meiner Familie beispielsweise. Ich habe keine Repressalien gespürt.“ Und: „Unterm Strich war es für mich interessant, eine Welt kennenzulernen, die heute nicht mehr existiert.“

Ob der Stoff auch im Westen Gesprächsstoff wird? Möglicherweise erhält „Der Uranberg“ Hilfe von unerwarteter Seite: durch die aufflammende Castor-Debatte.