An Rhein und Ruhr. . Sind Tiernummern Teil des Kulturguts Zirkus oder verfassungswidrige Quälerei? Der Bundesrat will am Freitag über ein Verbot von Affen, Elefanten, Großbären, Giraffen, Nashörnern und Flusspferden in Zirkussen abstimmen. Der neue Vorstoß stößt sowohl auf Ablehnung als auch auf Zustimmung.
Drinnen strahlen Kinderaugen, draußen starren Tieraugen ins Leere: Es sind diese gegensätzlichen emotionalen Momente, die es nicht einfach machen, ein Urteil über Wanderzirkusse zu fällen. Doch genau das will der Bundesrat vielleicht schon Freitag tun: Die Gemeinschaft der Bundesländer will bei nur einer Enthaltung die Bundesregierung auf einer der nächsten Sitzungen auffordern, die Haltung von Affen, Elefanten, Großbären, Giraffen, Nashörnern und Flusspferden im Zirkus mit einer gewissen Übergangsfrist zu verbieten.
In Österreich sind alle Wildtiere im Zirkus verboten
„Ein guter erster Schritt“, findet Annette Sperrfechter von der Tierschutzorganisation „Pro Wildlife“. Gemeinsam mit anderen Tierschützern fordert sie sogar ein komplettes Verbot von Wildtieren im Zirkus, wie es beispielsweise seit sechs Jahren in Österreich gilt. Eine artgerechte Haltung von Wildtieren sei für einen Zirkus grundsätzlich unmöglich, urteilt die Tierschützerin. Anders als Haustiere, die sich über Jahrhunderte an den Menschen angepasst haben, unterlägen Wildtiere in Gefangenschaft denselben Bedürfnissen wie in der Wildbahn. „13 Länder in Europa haben mindestens ein Verbot einzelner Arten“, erklärt Sperrfechter, „Deutschland ist Schlusslicht“. Dabei gab es bereits 2003 einen ähnlichen Antrag des Bundesrates. Er wurde von der Bundesregierung nicht weiter verfolgt.
Ein Verbot sei eh überflüssig, meint Brigitte Probst, die gemeinsam mit Ehemann Reinhard den Circus Probst führt. „Bärennummern gibt es schon lange nicht mehr“, erklärt sie, und auch das Elefantenverbot beträfe in Deutschland nur noch zwei Zirkusse – Krone und Voyage. Und diese Tiere würden sicher nicht gequält: „Für die Elefantenherde des Circus Krone könnte man ganze Straßenzüge kaufen“, sagt Probst, „man hegt und pflegt sein Vermögen“ – zumal Elefanten die Wappentiere Krones sind.
Wenige Vorgaben für artgerechte Haltung
Lasst die Tiere frei!
Ich hab das Bild noch vor mir - jener Elefant mit seinen entzündeten Augen und der dicken Kette um den Fuß. Tag der offenen Tür bei einem dieser kleinen Wanderzirkusse. Plötzlich musste ich den Kindern Fragen beantworten wie: „Warum weint der Elefant?“ Als wir gingen, waren wir deprimiert. Solche Zirkusse gibt es nicht mehr, keiner vermisst sie. Die Wildtiere, die heute in den Arenen ihre Runden drehen, werden besser behandelt als früher.
Das ist aber auch schon alles. Denn wenn Tiger, Nashorn & Co. sich aussuchen könnten, würden sie sicher die freie Wildbahn wählen, anstatt mit einem Federbüschel auf dem Kopf im Kreis herumzulaufen. Tiere hinter Gittern und uns zum Vergnügen - es passt einfach nicht mehr in die Zeit.
Cornelia Färber
Circus Probst bekommt für die Haltung der eigenen Tiere bei den regelmäßigen Untersuchungen der Veterinärämter Bestnoten. „Bemerkenswert gut, weiter so!“, findet sich beispielsweise am 3.11.2011 als Bemerkung zum Gesamteindruck.
Für Tierschützerin Sperrfechter ist das schnell erklärt: Die gesetzlichen Vorgaben seien extrem gering, weit geringer als für Zoos. „Weil Zirkustiere Auslauf in der Arena finden“, erläutert Sperrfechter die offizielle Begründung und findet das „lächerlich“: Fünf Minuten mit artfremdem Verhalten könnten die kleinen Käfige unmöglich rechtfertigen. Immerhin habe der Tierschutz in Deutschland Verfassungsrang.
Ist ein Zirkus mit Tiernummern europäisches Kulturgut?
Aber ein Zirkus ohne Tiere? „Das wäre nicht mehr der klassische Zirkus“, kritisiert Brigitte Probst und attackiert chinesische Zirkusse, die nur auf Artisten setzen: „Dort werden Kinder gequält. Unsere Tiere führen nur Kunststücke auf, die sie auch in der Natur machen. Den Rücken auf die Beine zu biegen ist für den Menschen nicht natürlich.“
In der Manege zu Hause
Als Kind hatte ich einen Vogel. Vielleicht wäre „Kiki“ lieber in einem Urwald von Baum zu Baum geflogen als um die Wohnzimmerlampe zu kreisen. Der blau-grüne Wellensittich hat mir die Liebe zu Tieren beigebracht. Und er lehrte mich, dass man als Mensch für sein Tier verantwortlich ist. Seit jener Zeit gehören Tiere zu meinem Leben.
Da können Kinder noch so schöne TV-Dokus sehen und sich durch Tierspiele am Computer klicken - die unmittelbare Begegnung mit dem Tier weckt das Verständnis für die wunderbare Vielfalt der Schöpfung.
Die Tiere werden in die Welt des Zirkus hineingeboren. Die Manege ist ihr Zuhause. Gute Dompteure sind wie liebevolle Frauchen und Herrchen. Sie sind gut zu ihren Tieren.
Peter Toussaint
Auch Europaparlamentarierin Doris Pack (EVP) spricht sich gegen ein absolutes Wildtierverbot aus. 2005 überzeugte sie das europäische Parlament, den Zirkus als europäisches Kulturgut anzuerkennen – einschließlich der Tiernummern. Die Bewahrung der Zirkustradition sei mit den Anliegen des Tierschutzes in Einklang zu bringen.
Die Hamburger Bürgerschaft sieht das anders und will jetzt den Verbotsantrag von 2003 neu aufleben lassen. – mit mehr Tieren auf der Liste als damals, aber weiterhin ohne die Raubkatzen. So soll es dem Bund leichter fallen, dem Antrag zuzustimmen. Deshalb könnte die für Freitag geplante Entscheidung im Bundesrat auch verschoben werden – einige Rückfragen des Bundes sollen zuvor geklärt werden, um die Chancen des Antrags zu erhöhen.