Washington. Das US-Unternehmen Mattel bringt eine neue Barbie auf den Markt - und damit amerikanische Eltern auf die Palme. Denn die neue Plastikpuppe hat etwas, was bisher keine Barbie hatte: ein Tattoo. Für die besorgten Eltern ist die tätowierte Barbie ein Zeichen für fortschreitenden Sittenverfall. Sie spekulieren schon über Barbies mit Bierpulle und Kippe in der Hand.
Sie war schon so ziemlich alles. Raumfahrerin. Mutter mit Baby am Rockzipfel. Managerin. Präsidentin. Züchtiger Teenager mit Zopf. Tierärztin. Verführerin im Negligee. Nur eines war die seit 1959 die Mädchen-Kinderzimmer dieser Welt belagernde bleiche Miniatur-Schönheit nie: richtig tätowiert.
Seit der italienische Designer Simone Legno “Barbie”, die berühmteste Puppe der Welt, mit pinkfarbenem Lack-Mini-Rock, Stockelschuhen, Gassi-Hündchen “Bastardino” und haufenweise Körperkunst zwischen Schlüsselbein und Schulterblatt geschaffen hat, haben die Tugendwächter in Amerika wieder Hochkonjunktur. “Warum ihr nicht gleich ‘ne Zigarette und ‘ne Pulle Bier in die Hand drücken”, erregte sich ein Elternpaar in einem einschlägigen Internet-Blog. “Junge Mächen dazu zu ermuntern, sich tätowieren zu lassen, “ist falsch, falsch und nochmals falsch”, sekundierte eine aufgebrachte Mutter.
Nur 7400 Exemplare hergestellt
Gemach, wirft da Signore Legno ein, erinnert an die real existierende Welt da draußen, in der es Lady Gaga, Rihanna, Katy Perry und andere reich verzierte Rollenvorbilder für den weiblichen Nachwuchs gibt, und geht ans Puppen-Eingemachte: Nur 7400 (angeblich bereits ausverkaufte) Exemplare der plastinen Tattoo-Tussi seien schließlich produziert worden. Stückpreis: 50 Dollar. Zu haben nur über die offizielle Internet-Seite für Sammler. Zielgruppe: der oder die erwachsene Sammler(-in).
Anhänger der reinen Lehre, die in Barbie gern immer noch ein antiquiertes und repressives Rollenbild für junge Mädchen repräsentiert sähen, offenbaren in ihrer Kritik, die es bereits ins amerikanische Frühstücksfernsehen geschafft hat, in der Tat ein schlechtes Gedächtnis. Mattel, der Konzern, der nach und nach entstand, nachdem Ruth Handler “Barbie” 1959 erfunden hatte, leistete sich immer schon Sonder-Editionen, die vor allem im sturz-prüden Amerika vorübergehend für Truppenbewegungen an der Spielzeugfront sorgten. Man erinnere nur an Bob Mackies “Gräfin Dracula Barbie” im eng anliegenden Dress mit V-Ausschnitt bis unter den Bauchnabel. Auch mit Tattoos hat Barbie bereits Erfahrungen gesammelt. Vor zwei Jahren gab es das Gör mit 40 aufklebbaren Stickern. Und 2008 durfe der Motorrad-Konzern Harley Davidson dem Biker-Babe zwei große Flügel auf den Rücken projezieren. Arschgeweih made bei Mattel sozusagen. Die Kinderzimmerwelt ist davon auch nicht untergegangen. Und überhaupt: Ken soll’s gefallen haben.