Essen/München. . In ihrem letzten Jahr als Wiesn-Chefin wünscht sich Gabriele Weishäupl wieder mehr Tradition und Gemütlichkeit und weniger Ballermann in München. Der Preis für die Maß steigt erstmals auf über neun Euro. Das Fest beginnt am 17. September.

Die CD zu ihrem eigenen Fest wird sich Gabriele Weishäupl nicht antun. „Oktoberfest Superhits 2011“ – die Wiesn-Chefin könnte diese Musik höchstens ertragen, wenn sie ihre Ohren luftdicht verschließt. „Hallo Bimmelbahn“ von den Party Hit Piraten, „Das Lied der Schlümpfe“ von Willi Herren und den Remmi Demmi Boys oder „Lass uns schmutzig Liebe machen“ von Lorenz Büffel bedeuten für die 64-Jährige das Grauen auf Platte gepresst.

„Wir sind keine Diskothek. Wir wollen das nicht. Das muss man ganz deutlich sagen.“ Und deshalb tritt sie mit den Wirten in den Festzelten regelmäßig zu harten Rede­duellen an. Aber sie weiß natürlich auch, dass man mit dieser Form von Spaßmusik junge Leute anzieht. Die bringen Stimmung – und ganz nebenbei auch Scheinchen.

In ihrem 26. und letzten Jahr an der Spitze des vielleicht größten Volksfests der Welt (17. September bis 3. Oktober), mit Sicherheit aber an der Spitze des zünftigsten, ist die Gemütslage der Münchenerin heiter bis wolkig. Der Ballermann wird ihr Freund ganz sicher nicht. Weishäupl ist seit 1985 Tourismusdirektorin der Landeshauptstadt München und damit auch Leiterin des Oktoberfests.

Sie wünscht sich mehr Gemütlichkeit und Tradition. Deshalb ist sie entzückt, dass es im Süden der Theresienwiese in diesem Jahr wieder die „Oide Wiesn“ geben wird. Einen nostalgischen Abschnitt, auf dem das Oktoberfest wie vor hundert Jahren aussieht. Und damals hätten sich Wesen wie DJ Ötzi oder Mickie Krause noch nicht getraut auf die Welt zu kommen. Die Idee zur „Oide Wiesn“ ist hinübergerettet worden, sie war zum 200. Geburtstag des Oktoberfests im vergangenen Jahr entstanden.

530 000 Brathendln und 117 Ochsen

Bayerns wilde Wochen sind Jahr für Jahr auch ein großes Zahlenspektakel. 6,4 Millionen Besucher in 14 großen und 15 kleineren Festzelten allein 2010. Sie teilten sich die Theresienwiese mit 530 000 Brathendln und 117 Ochsen. Wobei die Besucher einen deutlich vitaleren Eindruck hinterließen. Selbst nach diversen Gläsern Bier noch.

Und hier kommt die für viele entscheidende Zahl: Die Maß (das ist die wichtigste bayerische Messgröße und entspricht einem Liter) kostet dieses Mal zwischen 8,70 und 9,20 Euro. Zum ersten Mal wird die Neun-Euro-Marke überschritten, und für manche dürfte das Maß damit voll sein. Es ist halt gleichermaßen Gaudi und Geschäft. Immer wieder kursiert das Gerücht, dass man in Bayern auch nach zwei Maß Bier noch fahren darf. Stimmt das? „Ja. Aber nur U-Bahn und S-Bahn“, heißt es dazu aus der Tourismuszentrale München.

Sieben Millionen Maß sind im vergangenen Jahr verschluckt worden. Die Chefin hat dabei nicht geholfen. Während der Arbeit trinkt Gabriele Weishäupl nicht. Für andere mag die Wiesn eine große Gaudi sein, für sie selbst ist das alles eine ernste Angelegenheit, wenn auch eine bierernste: „Ich bin angespannt. Es erwacht geradezu ein Kampfgeist in mir“, sagt sie und ihre Stimme klingt genau so.

Trend zur Tracht

Aber sie macht das gerne. Und das wird deutlich, wenn die promovierte Kommunikationswissenschaftlerin plötzlich ins Schwärmen gerät: „Es gibt weltweit kein anderes Fest, das so toll aussieht.“ Begeistert erzählt sie von einem Trend zur Tracht, den sie seit 15 Jahren bei den Besuchern beobachtet. Gleich welchen Alters, sie zeigen sich wieder gerne in Dirndl oder Lederhosen. „Teils, weil sie einfach die Party mitmachen wollen, teils aus Identität zum Land“, sagt Weishäupl.

Nur neun Prozent der Besucher kommen übrigens aus Deutschland. Mit dieser Erkenntnis überrascht eine Wiesn-Sprecherin. Aber die Rechnung geht auf: „72 Prozent kommen aus Bayern und 19 Prozent aus dem Ausland.“

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