Ried/St. Peter am Hart. . Ein wegen Inzest- und Missbrauchsvorwürfen verhafteter 80-jähriger Österreicher ist wieder auf freiem Fuß. Die beiden Töchter des Mannes hätten in Vernehmungen „dezidiert in Abrede gestellt“, von ihrem Vater sexuell missbraucht worden zu sein, so die Staatsanwaltschaft.

Der jüngste angebliche Inzestfall in Österreich hat eine überraschende Wende genommen: Der 80-Jährige, der Ende August unter dem Verdacht festgenommen worden war, seine geistig zurückgebliebenen Töchter jahrzehntelang missbraucht zu haben, wurde am Freitag aus der Untersuchungshaft entlassen. Nach Angaben der Nachrichtenagentur APA bestreiten die beiden heute 53- und 45-jährigen Frauen, von ihrem Vater jemals vergewaltigt worden zu sein.

Der Fall hatte vor rund zwei Wochen auch international für Aufsehen gesorgt: Nach den damaligen Angaben der Behörden soll der Mann aus Oberösterreich seine Töchter seit 1970 regelmäßig vergewaltigt und misshandelt haben, ohne dass es jemandem aufgefallen wäre. Ans Licht kam der Fall demnach im vergangenen Mai nach einem schweren Sturz des Vaters, den die Töchter zwei Tage lang liegen ließen, bevor sie eine Sozialhelferin riefen. Diese erstattete Anzeige.

Missverständnis in der Vernehmung?

Den Ermittlern berichteten die beiden Frauen später, dass ihr Vater sie jahrelang nur einen Raum des Hauses bewohnen ließ, sie regelmäßig geschlagen, mit Waffen bedroht und gedroht habe, sie umzubringen. Wie die Leitende Staatsanwältin Ernestine Heger nun gegenüber APA sagte, beschuldigten die beiden Frauen ihren Vater zunächst auch der sexuellen Übergriffe. Bei weiteren Befragungen seien aber Zweifel aufgekommen, ob die Frauen die Begriffe überhaupt verstanden hätten. Sie hätten „einschlägige Tathandlungen“ beschrieben, die jedoch ein anderer Mann verübt habe. Die geschilderten Taten, die demnach schon längere Zeit zurückliegen, müssten noch überprüft werden.

Dass ihr Vater sie ebenfalls missbraucht habe, hätten die Frauen ausdrücklich verneint, sagte Staatsanwältin Heger weiter. Dass ihr Vater sie misshandelt und bedroht habe, behaupteten sie demnach aber weiterhin. Allerdings sagten sie nun aus, dass dies längere Zeit zurückliege. Auch diese Angaben müssten nun geprüft werden. Laut Heger waren die beiden Frauen über die Berichte in den Medien wütend und unglücklich.

Sex bedeute für die beiden Töchter, wenn jemand nackt herumlaufe

In einer ersten Reaktion gegenüber der österreichischen Nachrichtenagentur APA bezeichnete der Anwalt des 80-Jährigen die Entscheidung der Staatsanwaltschaft als ersten Schritt in die richtige Richtung. Es habe sich bewahrheitet, was sein Mandant von Anfang an gesagt habe - dass Dritte die beiden Frauen aufgehetzt hätten. Betreuerinnen und Verwandte seien mit Mutmaßungen zur Polizei gegangen, sagte der Anwalt. Vor einer Entscheidung über das weitere Vorgehen wolle er nun das psychiatrische Gutachten abwarten.

Auch der Anwalt bestätigte, dass die geistig leicht bis mittelschwer eingeschränkten Frauen Probleme mit abstrakteren Begriffen hätten: „Vergewaltigung heißt für sie, wenn jemand einen ans Bett fesselt oder aus dem Bett stößt“, erklärte der Anwalt. Sex bedeute für die beiden Töchter, wenn jemand nackt herumlaufe. „Sie sagen: Das hat der Papa mit uns nicht gemacht.“ Allerdings habe ein Fremder das getan. Der Vater war am 26. August wegen Verdunkelungsgefahr in Untersuchungshaft gekommen. Von Anfang an bestritt er sämtliche Vorwürfe. (afp)