Frankfurt/Main. . Der verurteilte Kindsmörder Magnus Gäfgen muss vom Land Hessen mit mehr als 3000 Euro plus Zinsen entschädigt werden. Die Zahlungen stünden Gäfgen zu, weil seine Menschenwürde bei einem Verhör im Jahr 2002 verletzt worden sei.

Dem Kindsmörder Magnus Gäfgen steht eine Entschädigung vom Land Hessen zu. Das Frankfurter Landgericht sprach dem 36-Jährigen am Donnerstag 3.000 Euro zu, wies seine Klage auf Schmerzensgeld jedoch ab. Der Vorsitzende Richter Christoph Hefter begründete die Entschädigung damit, dass Gäfgen bei der Vernehmung nach seiner Festnahme die Zufügung von Schmerzen nicht nur angedroht, sondern auch schon die Umsetzung in die Wege geleitet worden sei.

Für eine Entschädigung sei eine gesundheitliche Beeinträchtigung des Klägers keine zwingende Voraussetzung. Ein Anspruch auf Schmerzensgeld hingegen setze eine Verletzung des Körpers oder eine Schädigung der Gesundheit voraus.

Der Richter hob hervor, dass es sich bei der Gewaltdrohung um eine schwere Verletzung der Menschenwürde gehandelt habe. Das Recht auf Achtung seiner Würde könne auch einem Straftäter nicht abgesprochen werde. Deshalb halte die Kammer eine Entschädigung in Höhe von 3.000 Euro plus Zinsen für angemessen, "aber auch für ausreichend."

Keine Beweise für Traumatisierung von Gäfgen

Hefter betonte, dass auch die Beweggründe für die Gewaltandrohung eine wichtige Rolle spielten. In diesem Falle sei es nicht um eine Erniedrigung des Klägers gegangen. Die Beamten hätten einzig und allein darauf abgezielt, den Aufenthaltsort des entführten Jungen zu erfahren, um möglicherweise dessen Leben retten zu können. Tatsächlich war Jakob von Metzler zu diesem Zeitpunkt bereits tot. Gäfgen führte die Polizei schließlich zu der Leiche

"Das provozierende und skrupellose Aussageverhalten des Klägers strapazierte die Nerven der Ermittler aufs Äußerste", sagte der Richter. Die Drohung habe keine bleibenden Schäden hinterlassen.

Gäfgen habe nicht beweisen können, dass der Beamte ihn gestoßen und geschlagen habe. Auch habe er nicht belegen können, dass die psychischen Schäden eine Folge der Gewaltandrohung seien. Vielmehr seien die Gutachter zu dem Ergebnis gekommen, dass eine Traumatisierung unter anderem bereits durch das Erleben der Tötung des Jungen zurückzuführen sei.

Die Prozesskosten muss zu vier Fünfteln der Kläger bezahlen, zu einem Fünftel das Land. Gegen das Urteil kann beim Oberlandesgericht Berufung eingelegt werden.

Der damalige Jurastudent ist wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt worden, außerdem stellte das Gericht die besondere Schwere der Schuld fest. In dem aktuellen Verfahren verlangte Gäfgen Schmerzensgeld plus Schadenersatz. Seine Forderung begründete er zum einen mit psychischen Schäden, die er durch die Gewaltandrohung erlitten haben will. Zum anderen habe der Polizist ihn geschüttelt und geschlagen, was dieser in dem Prozess aber entschieden bestritt.

Kritik von GdP und Weißer Ring an Gäfgen-Entschädigung

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) hat die Entschädigungszahlung an den Kindsmörder Markus Gäfgen kritisiert. Das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main sei emotional nur sehr schwer erträglich, erklärte der GdP-Bundesvorsitzende Bernhard Witthaut am Donnerstag in Berlin. "Diese dicke Kröte muss jedoch unter dem Gesichtspunkt der Rechtsstaatlichkeit geschluckt werden", fügte der Gewerkschafter hinzu. Die Entscheidung dürfe jedoch nicht zur Folge haben, dass die Polizei in Vernehmungen nicht mehr intensiv nachfragen dürfe, betonte Witthaut.

Auch die Opferhilfe-Organisation Weißer Ring hat auf das Gerichtsurteil zur Entschädigung für Gäfgen mit Unverständnis reagiert. "Das ist ein Urteil, das die Bürger nicht verstehen können, auch nicht verstehen werden", sagte der Sprecher der Organisation, Helmut Rüster, am Donnerstag dem Fernsehsender N24. "Jemand, der sich auf Todesangst beruft wegen einer Androhung, der muss sich mal überlegen, was das Kind erlitten hat, das er letztlich dann dem Tode zugeführt hat", sagte Rüster. Das Urteil rühre "sehr stark an dem Rechtsempfinden der Menschen" (dapd)