Straßburg. .

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat dem Kindermörder Magnus Gäfgen bei seiner Folter-Klage Recht zum Teil gegeben. Sein Prozess wird aber nicht neu aufgerollt.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg hat der Beschwerde des Kindsmörders Magnus Gäfgen gegen den deutschen Staat teilweise recht gegeben. Demnach war die Misshandlungsdrohung der Frankfurter Polizisten gegen den damals Verdächtigen ein Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention. Gäfgen ist mit seiner Absicht, ein neues Strafverfahren in Deutschland zu erreichen, jedoch gescheitert.

Denn ein Verstoß gegen das Recht auf ein faires Verfahren nach Artikel 6 der Menschenrechtskonvention liegt nach dem Urteil der Großen Kammer nicht vor. Die verbotene Verhörmethode kann auch nicht als Folter gelten, wie der Gerichtshof erklärte.

Beamte hatten mit Kampfsportler und Schmerzen gedroht

Gäfgen, damals Jura-Student, tötete den elfjährigen Bankierssohn Jakob von Metzler am 27. September 2002 in Frankfurt und erpresste eine Million Euro von der Familie. Er wurde bei der Abholung des Lösegelds observiert und später festgenommen. Weil er über den Verbleib des Jungen falsche Angaben machte und die Polizei um dessen Leben fürchtete, drohte ein Hauptkommissar auf Anweisung des Polizeivizepräsidenten Wolfgang Daschner ihm an, ein Kampfsportler würde ihm starke Schmerzen zufügen, wenn er nicht den Aufenthaltsort Jakobs nennen würde.

Der Hauptkommissar wurde vom Frankfurter Landgericht zu einer Geldstrafe auf Bewährung wegen schwerer Nötigung verurteilt. Gegen Daschner erging wegen Anstiftung zur Nötigung nur eine „Verwarnung mit Strafvorbehalt“. Der hessische Innenminister Volker Bouffier beförderte ihn 2005 noch zum Leiter einer Dienststelle.

Behörden müssen Gäfgen Entschädigung zahlen

Der Europäische Gerichtshof rügte, die Beförderung gebe „Anlass zu grundlegenden Zweifeln, ob die Behörden angemessen auf den Ernst der Lage angesichts einer Verletzung von Artikel 3 reagiert hatten“. Die Bestrafung der Polizeibeamten zu nur sehr geringen Geldstrafen auf Bewährung habe nicht den notwendigen Abschreckungseffekt, um vergleichbaren Konventionsverletzungen vorzubeugen.

Die Straßburger Richter beanstandeten außerdem, dass die deutschen Behörden Gäfgen keine ausreichende Entschädigung für die unzulässige Behandlung gewährten. Der Kindsmörder fordert in einer Zivilklage gegen das Land Hessen mehr als 10.000 Euro Schmerzensgeld. Dazu beantragte er Prozesskostenhilfe, über die nach mehr als drei Jahren noch nicht rechtskräftig entschieden worden ist.

Früheres Urteil korrigiert

Die Entscheidung, dass das Misshandlungsverbot der Menschenrechtskonvention verletzt wurde, fiel in der Großen Kammer mit elf zu sechs Stimmen. Diese korrigiert die Feststellung der einfachen Kammer des EGMR vom 30. Juni 2008, die zwar ebenfalls einen Verstoß gegen Artikel 3 anerkannte, aber argumentiert hatte, die deutschen Gerichte hätten die Nachteile Gäfgens ausgeglichen.

Gäfgens Anwalt Michael Heuchemer sagte die klare Verurteilung Deutschlands sei „ein ganz wesentliches Signal, das wir erreichen wollten“.

Der Täter hatte beanstandet, das Frankfurter Landgericht habe sein Urteil am 27. Juli 2003 auf Beweismittel gestützt, die infolge der erpressten Aussagen gefunden worden seien. Die Straßburger Richter stellten jedoch fest, dass diese Beweismittel zur Verurteilung nicht erforderlich gewesen seien, weil Gäfgen ein neues Geständnis abgelegt habe. (AP)