Frankfurt/Main. . In einem neuen Prozess hat der verurteilte Kindesmörder Magnus Gäfgen Schmerzensgeld wegen Folterandrohung gefordert. Der Beamte im Mordfall des Millionärssohns Jakob von Metzler habe ihn körperlich angegriffen.

In einem neuen Prozess hat der verurteilte Kindesmörder Magnus Gäfgen am Donnerstag Schmerzensgeld vom Land Hessen wegen Folterandrohung gefordert. Der 35-Jährige sagte in der Verhandlung vor dem Landgericht Frankfurt am Main aus, der Vernehmungsbeamte im Mordfall des Millionärssohns Jakob von Metzler habe ihn im Oktober 2002 auch körperlich angegriffen. Der als Zeuge in dem Prozess gehörte Polizist wies dies energisch zurück und versicherte, es sei bei Drohungen geblieben.

Am Abend erklärte das Gericht, es sehe weiteren Aufklärungsbedarf. Der Prozess wird mit einem schriftlichen Verfahren fortgesetzt. Eine Entscheidung wird für den 1. Juni erwartet.

Zuvor hatte der damalige Polizeivizepräsident Wolfgang Daschner in dem Verfahren erstmals den Namen seines Ansprechpartners im Bereich des hessischen Innenministeriums genannt: Sämtliche Schritte seit Beginn der Entführung des elfjährigen Bankierssohns seien mit dem seinerzeitigen LKA-Chef Norbert Nedela abgesprochen gewesen, sagte der 67-Jährige am Donnerstagabend ebenfalls als Zeuge in dem Prozess. Mit dem damaligen Innenminister und heutigen Ministerpräsidenten Volker Bouffier (CDU) habe er dagegen nie gesprochen. Dieser sei seines Wissens zu der Zeit auch in Urlaub gewesen. Der Prässident des Landeskriminalamts, Nedela, habe gesagt, man solle „Instrumente zeigen“, sagte Daschner. Nedela wurde vor wenigen Wochen nach Kritik an seinem Führungsstil als hessischer Landespolizeipräsident entlassen.

„Psychische Schäden davongetragen“

Gäfgen schilderte in dem Verfahren am Donnerstag, wie ihm der Vernehmungsbeamte im Polizeiverhör am 1. Oktober 2002 Schmerzen angedroht habe, um das Versteck des entführten Jungen zu erfahren. Der Vernehmungsbeamte von damals wies am Donnerstag Gäfgens Vorwurf körperlicher Gewalt zurück. Er habe ihm aber gesagt, dass ein Beamter per Hubschrauber angefordert worden sei, um ihm Schmerzen zuzufügen, sollte er den Aufenthaltsort des Kindes nicht verraten. Der ehemalige Polizeivizechef Daschner berichtete, damals sei davon auszugehen gewesen, dass der Täter sein Opfer kannte. „Ich sah darin praktisch das Todesurteil für den Jungen, und wir mussten sehen, dass es nicht vollstreckt wird.“

Der zu lebenslanger Haft verurteilte Kindesmörder führt in dem Zivilverfahren an, dass er durch die Gewaltandrohung psychische Schäden davongetragen habe. Der Streitwert liegt bei 15.000 Euro. Der damalige Jurastudent hatte den Jungen am 27. September 2002 unter einem Vorwand - er kannte Jakobs Schwester - in seine Wohnung gelockt und mit vorbereiteten Paketklebestreifen erstickt. Von der Familie forderte er eine Million Euro Lösegeld. Kurz nach der Geldübergabe wurde er festgenommen und machte auf dem Polizeipräsidium unterschiedliche Angaben. Er äußerte sich nicht definitiv, ob der Junge noch lebt, brachte angebliche Mittäter ins Spiel und lockte die Polizei auf eine falsche Fährte.

Vor Gericht sagte Gäfgen jetzt aus, dass er am nächsten Morgen im Verhör eigentlich gar nichts sagen wollte. Doch der Vernehmungsbeamte habe seinen Kollegen vor die Tür geschickt und sich „bedrohlich nah“ vor ihm aufgebaut. Der Beamte habe ihn zudem mehrfach geschubst und mit dem Handballen geschlagen. Nachdem er ihn an der Schulter geschüttelt habe, sei er mit dem Hinterkopf an die Wand geschlagen, sagte Gäfgen. Bei der Vernehmung habe er „Hilflosigkeit und Angst“ verspürt, sagte der 35-jährige. Deshalb habe er schließlich aufgegeben und die Polizei zur Leiche des Kindes an dem Weiher geführt. Das Gespräch habe etwa zehn Minuten gedauert.

Durch alle Instanzen geklagt

Der Vernehmungsbeamte erwiderte vor Gericht, er habe Gäfgen weder geschüttelt noch geschlagen. „Ich habe ihn nicht angefasst“, betonte der Zeuge. Auch sei er auf Abstand geblieben. „Ich habe die Nähe zu ihm vermieden, weil er eine unangenehme Kälte ausstrahlte“, sagte der Polizist. Seit der Geldübergabe seien 30 Stunden vergangenen und sie hätten sich große Sorgen um Jakob gemacht. Daschner habe ihm gesagt, dass er die Androhung von Schmerzen beabsichtige und einen Kollegen per Hubschrauber angefordert habe. Außerdem habe er erklärt, es werde ein Wahrheitsserum besorgt. Der Polizeivizepräsident habe ihn angewiesen, den Verdächtigen darauf vorzubereiten.

Das Frankfurter Landgericht verurteilte Gäfgen 2003 zu lebenslanger Haft. Die Strafkammer hatte damals entschieden, die Aussagen aus dem Polizeiverhör in dem Prozess nicht zu verwerten. Danach wiederholte Gäfgen vor Gericht sein Geständnis. Seitdem sitzt der studierte Jurist in der JVA im nordhessischen Schwalmstadt. Er hat sich bereits durch alle Instanzen geklagt, um ein Wiederaufnahmeverfahren zu erreichen, aber bisher keinen Erfolg gehabt. (dapd)