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Die Debatte ums Lügenfernsehen nimmt neue Fahrt auf. Bislang unveröffentlichte Szenen aus der RTL-Produktion „Mietprellern auf der Spur“ offenbaren das skrupellose Vorgehen der Fernsehmacher. Moderatorin Vera Int-Veen (43) stürmt mit ihrem Team trotz Verbots in die Privatwohnung einer nicht anwesenden bettlägerigen Frau und jagt dann noch dem geistig behinderten Sohn hinterher.

„Es ist eindeutig rechtswidrig, wie die Bilder entstanden sind. Die Betroffenen müssen das nicht dulden“, sagt der Kölner Medienanwalt Professor Ralf Höcker auf Nachfrage dieser Zeitung. „Das sind drec­kige Boulevardmethoden.“ Im Beitrag vom 4. Juli wird der behinderte 17-Jährige vor der Wohnung abgefangen und gefragt, ob ihn das Team in die Wohnung der Mutter begleiten kann. Im ungeschnittenen Film brüllt der Junge: „Die Kamera bleibt draußen.“ Die Zuschauer im Fernsehen bekommen ein „Ja“ zu hören. Höcker: „Das kann kein Zufall sein. Nach meinem Eindruck hat RTL versucht, durch den Schnitt des Bildmaterials die fehlende Zustimmung zu verschleiern.“

RTL reagiert gelassen

RTL reagiert gelassen auf die Vorwürfe: „Sollte im Rahmen der Produktion eine Szene nicht korrekt geschnitten worden sein, wird es die entsprechende Konsequenz innerhalb des Produktionsteams haben“, teilt Sprecher Christian Körner schriftlich mit. Die nicht anwesende Wohnungseigentümerin sei „mit den Dreharbeiten selbstverständlich einverstanden“ gewesen. „Vera begleitet die mit der Pflege der Mutter beauftragte Tochter, die sich ein Bild vom aktuellen Zustand der Wohnung machen will.“

Kaum zu glauben, wenn man die ungeschnittenen Bilder sieht: Da stürmt ein ganzer Rattenschwanz an Kameraleuten, Tonhilfen und Assistenten in die Wohnung, nimmt das verdreckte Bett der Mutter – die angeblich Mietprellerin, garantiert aber ein Sozialfall ist – auseinander. Der Junge brüllt noch: „Kamera raus, hab ich gesagt. Raus!“ Vera antwortet: „Jetzt entspann’ dich mal ein bisschen.“

Bild zeigte die zugespielten Aufnahmen

Jurist Höcker erklärt: „Es ist strafbarer Hausfriedensbruch, wenn man ohne Zustimmung in eine Wohnung eindringt.“ Er echauffiert sich, dass das ungeschnittene Video nun ausgerechnet auf dem Internet-Portal einer Boulevard-Zeitung zu sehen ist: „Bild arbeitet doch kein bisschen anders. Es ist besonders scheinheilig von Bild, sich erst über die Bild-typischen Recherchemethoden von RTL aufzuregen, das rechtswidrig entstandene Video dann aber noch einmal ins Netz zu stellen und den RTL-Opfern so noch einen reinzuwürgen.“

Moderatorin Vera Int-Veen, die sich nach außen als „Helferin mit Herz“ präsentiert, geht auf die konkreten Vorwürfe nicht ein. Auch sie antwortet in einer schriftlichen Stellungnahme. Es sei quasi eine Pflicht, die Situation der Familie öffentlich zu machen: „Dass es in Deutschland solche Zustände gibt, musste ich nun mit eigenen Augen sehen und wollte nicht wegschauen. Das werde ich mir in Zukunft auch nicht verbieten lassen.“

Der 17-Jährige erträgt im Film den Druck nicht mehr. Er rennt weg. Vera peitscht ihr Team an: „Hinterher, Leute! Kommt, kommt, kommt! Bewegt euch! Hopp, hopp, hopp!“ Die Kameraleute rennen. Vera bleibt stehen. Sie feixt und holt tief Luft. „Geil!“